Die Verhandlungen der Außenminister der fünf UN-Vetomächte und Deutschlands in Genf mit ihrem iranischen Amtskollegen Mohammed Dschawad Sarif, wie eine atomare Bewaffnung Irans verhindert werden kann, sind äußerst zäh. Teheran soll Teile seines Atomprogramms einfrieren und dafür Zugeständnisse bei den gegen das Land verhängten Sanktionen erhalten. Ein erster Textentwurf für ein Abkommen wurde von Frankreich als ungenügend verworfen. Zu unklar schien Außenminister Laurent Fabius die Frage, wie mit Irans Uran-Beständen verfahren werde, die bereits auf 20 Prozent angereichert sind. Von diesem Anreicherungsgrad könnte das Uran schnell auf ein für Waffen erforderliche Niveau von 90 Prozent gebracht werden. Auch der Bau eines Schwerwasserreaktors durch den Iran wurde als "harter Punkt genannt.

Der Optimismus, dass es zu einem Durchbruch kommen könnte, war trotzdem ungebrochen. Iran Präsident Hassan Rohani sprach von einer "einmaligen Chance". Im Gespräch mit der Kleinen Zeitung erklärt der Nahostexperte und gebürtige Iraner Shahram Chubin, warum die Hoffnungen begründet sind.

Sind die Iraner zu ernsthaften Verhandlungen bereit? SHAHRAM CHUBIN: Die Iraner meinen es ernst. Sie sind definitiv an einer Lösung des Atom-Streits interessiert. Die erste Runde der Verhandlungen mit der neuen iranischen Regierung unter Präsident Hassan Rohani in Genf im Oktober zeigte das klar.

Was will der Iran erreichen? CHUBIN: Teheran will, dass der Westen die Wirtschafts- und Finanzsanktionen so schnell wie möglich aufhebt. Diese treffen das Land hart. Das Regime ist sehr besorgt über die ökonomische und soziale Lage, über den Zerfall der Moral im Iran. Die Sanktionen treffen die Öl-Industrie, das Land wurde vom internationalen Finanzsystem abgeschnitten. Iraner müssen im Ausland in bar bezahlen, sie können kein Geld überweisen. Sogar die Fluggesellschaft Iran Air hat Koffer voller Geld an Bord, um Treibstoffrechnungen zu zahlen.

Wo liegt der Knackpunkt bei den Genfer Verhandlungen? CHUBIN: Das große Problem ist die zeitliche Abfolge von Konzessionen der Iraner und der Aufhebung von Sanktionen durch den Westen. Jede Seite erwartet, dass die andere Seite sich zuerst rührt. Deshalb besteht die reale Gefahr überzogener Erwartungen auf beiden Seiten. Wenn keiner sich rührt, droht Stillstand.

Warum ist es für den Westen so schwer, Sanktionen aufzuheben? CHUBIN: Es dauerte Jahre bis die Sanktionen im Iran wirkten. Sie tun den Iranern richtig weh. Embargos und Boykotte sind ein Druckinstrument. Der Westen will sie natürlich nicht so einfach aus der Hand geben. Der Westen kann aber einige symbolische Sanktionen streichen.

Der Westen verlangt einen Stopp der Uran-Anreicherung auf 20 Prozent. Zudem soll das bereits zu 20 Prozent angereicherte Uran unter internationaler Aufsicht aus dem Land abtransportiert werden. Wird der Iran hier nachgeben? CHUBIN: Die Frage des zu 20 Prozent angereicherten Urans ist für die Iraner kein großes Problem. Ich glaube, der Iran könnte bei der 20-Prozent-Frage einlenken. Die Iraner wollen aber weiter Uran auf fünf Prozent anreichern und Atom-Anlagen wie in Fordow behalten. Sie bestehen also auf dem grundsätzlichen Recht auf Anreicherung von Uran.

Laut iranischen Medienberichten könnte der Iran auch Spontaninspektionen der Internationalen Atomenergieorganisation (IAEA) zulassen. Damit würden die internationalen Atompolizisten wesentlich besser Irans Nuklearprogramm überwachen können... CHUBIN: ...ich glaube, dass die Iraner damit keine Schwierigkeiten haben. Wie gesagt, das Hauptproblem ist die Synchronisation der Zugeständnisse des Irans und des Westens. Wer bewegt sich zuerst?