Die Verzweiflung ist groß. Einige Genossen raten bereits zum politischen Selbstmord. Neuwahlen empfehlen sie, aus denen Frankreichs im Juni 2012 mit absoluter Mehrheit bedachte Sozialisten wohl als parlamentarische Randgruppe hervorgehen würden. Allein eine Erneuerung an Haupt und Gliedern könne helfen, versichern sie.

Führungsspitze und Gefolgschaft befinden sich ja auch in beklagenswertem Zustand. Staatschef François Hollande und sein Premier Jean-Marc Ayrault stolpern ziellos durch die Krise. Minister und Abgeordnete verfolgen entsetzt das dilettantische Gebaren, reden wild durcheinander. Das Volk wendet sich mit Grausen ab. Die Zustimmung zum Präsidenten ist anderthalb Jahre nach Amtsantritt auf ein historisches Tief gesunken. Seit 1958, dem Gründungsjahr der Fünften Republik, hat es kein Staatschef so schnell zu so großer Unbeliebtheit gebracht.

In den vergangenen Tagen war es besonders dick gekommen. Hollande und Ayrault, die versprochen hatten, die rekordverdächtig hohe Abgabenlast nicht weiter zu erhöhen, wollten dann doch an der Steuerschraube drehen. Ayrault kündigte an, Bau- und Aktiensparer stärker zur Kasse zu bitten. Es folgte der Versuch, eine von der Vorgängerregierung beschlossene Lkw-Umweltabgabe umzusetzen. Ein ums andere Mal erhob sich ein Sturm der Entrüstung. Die Regierung knickte ein, nahm zurück, was sie für unverzichtbar erklärt hatte.

Hollande hat allen Grund, den Volkszorn zu fürchten. Nicht nur die den Franzosen zugemuteten Opfer fordern ihn heraus. Er rührt daher, dass nicht zu erkennen ist, wofür die Opfer erbracht werden. Die Arbeitslosigkeit nähert sich der Elf-Prozent-Marke. Von der wirtschaftlichen Erholung, die Hollande verheißen hat, ist im Alltag nichts zu spüren.

Hinzu kam der Fall des abgeschobenen Roma-Mädchens Leonarda. Nach Schülerdemonstrationen überraschte Hollande Freund und Feind mit dem Beschluss, Leonarda zurückkehren zu lassen - ohne Eltern und Geschwister. Die menschlich wie rechtlich fragwürdige Entscheidung löste allseits Empörung aus.

Der Präsident scheint in einem Teufelskreis gefangen. Im Volk immer unbeliebter, getraut er sich immer weniger, unpopuläre Entscheidungen zu treffen. "Alles, was Hollande anfasst, wird nicht zu Gold, sondern zu Blei", sagt ein Gefolgsmann.

Nach Tragödie klingt das, nach einem Drama, das unaufhaltsam einem entsetzlichen Ende entgegenstrebt. Dass die allseits gefeierte Freilassung der von Al Kaida in Mali gefangen gehaltenen französischen Geiseln inzwischen als Niederlage Hollandes gedeutet wird, passt ins düstere Bild. Der Staatschef wird mit dem feierlichen Versprechen zitiert, Frankreich werde keine Lösegelder mehr zahlen. Nun verdichten sich die Anzeichen, dass die Geiseln sehr wohl freigekauft wurden, und der Präsident verliert weiter an Glaubwürdigkeit.

So groß die Zweifel an der Führung auch sind, die Mehrheit der Genossen gibt sich nicht verloren. Der Pariser Abgeordnete Jean-Christophe Cambadélis etwa rät, dem undankbaren wirtschaftlichen Terrain den Rücken zu kehren und Debatten loszutreten, in denen die Linke eine rühmlichere Rolle spielen könnte. Andere Sozialisten empfehlen eine Regierungsumbildung. Politische Schwergewichte wie Martine Aubry sollten übernehmen.

Im Élysée-Palast hält man von beidem wenig. Wirtschaftsprobleme gerieten nicht aus dem Blick, nur weil die Sozialisten sie nicht mehr thematisierten, meint ein Berater des Präsidenten. Die Wirkung einer Regierungsumbildung sei rasch verpufft.