Von der Schießerei vor dem Regierungssitz bei der Vereidigung seines Kabinetts bis zum Streit um den Parlamentsausschluss des Medienmoguls Silvio Berlusconi: Premier Enrico Letta hat seit seinem Amtsantritt Ende April fünf Monate auf der Achterbahn erlebt. Der aus der Toskana stammende Regierungschef hat eine kurze, aber sehr intensive Amtszeit hinter sich.

Sein ambitioniertes Vorhaben, seine "Demokratische Partei" (PD) mit der Gruppierung des Rivalen Berlusconi "Volk der Freiheit" (PdL) unter das Dach einer Großen Koalition zu zwingen, hat sich als zermürbend und perspektivlos erwiesen. Nach dem Rücktritt der Berlusconi-Minister aus dem Kabinett scheint die Regierung Letta jetzt die Endstation erreicht zu haben.

Vom Anfang an stand das Kabinett Letta unter einem schlechten Stern. Eine Schießerei vor dem Regierungssitz in Rom, bei der zwei Carabinieri und eine Passantin verletzt wurden, überschattete am 28. April die Vereidigung der neuen Regierung, die nach einem zweimonatigen politischen Vakuum nach den Parlamentswahlen im Februar aus der Taufe gehoben wurde.

Während Letta und seine 21 Minister vor Präsidenten Giorgio Napolitano der Italienischen Republik ihre Treue schworen, feuerte ein Arbeitsloser sechs Schüsse auf zwei Carabinieri, die ihm den Zugang zu dem Platz vor dem Regierungssitz versperrten. Politische Beobachter sahen in diesem Anschlag ein schlechtes Omen für den neuen Premier, der nach monatelangen mühsamen Konsultationen zur Regierungsbildung das Ruder des Landes übernommen hatte, und prophezeiten ihm eine unsichere Amtszeit.

In seiner Ansprache zum Amtsantritt versprach Letta vor dem Parlament, dass er sich 18 Monate Zeit geben werde, um wichtige politische Reformen, darunter die Verabschiedung eines neuen Wahlgesetzes, durchzuführen und das von zwei Jahren Rezession geplagte Italien wieder auf die Beine zu bringen. Nach seinem Amtsantritt startete Letta eine Tour durch die europäischen Hauptstädte - darunter auch nach Wien - und gewann dabei zunehmend an Ansehen.

Lockerung des Sparkurses bei gleichzeitiger Finanzdisziplin und Kampf gegen die Arbeitslosigkeit verbinden: Mit dieser Strategie wollte Letta sein Land um die Klippen der Rezession schiffen. Unermüdlich machte sich der 47-Jährige in Brüssel für eine Lockerung der rigorosen Sparpolitik und mehr Mittel für Wachstum und Infrastrukturprojekte stark. Ziel ist vor allem, die Jugendarbeitslosigkeit zurückzudrängen, die in Italien ein erschreckendes Maß von fast 40 Prozent erreicht hat.

Bei seinem Einsatz für eine Lockerung des EU-Stabilitätspakts kann sich Letta in Brüssel auf einen wichtigen Erfolge berufen. Dank der strengen Budgetdisziplin Italiens in den vergangene Jahren, stellte die EU-Kommission das seit 2009 laufende Defizitverfahren gegen Italien ein. Dies gab Letta mehr Spielraum und Möglichkeiten, den strikten Sparkurs, den die Vorgängerregierung von Mario Monti mit eiserner Disziplin eingehalten hatte, ein wenig aufzuweichen.

Zu den wichtigsten Maßnahmen der Regierung Letta zählen Programme zur Ankurbelung des Wirtschaftswachstums, zur Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit und zur Förderung von Investitionen im Infrastrukturbereich. Um sich den Rückhalt Berlusconis zu sichern, war Letta jedoch auch zu mehreren Konzessionen gezwungen: So schafft er im August die Immobiliensteuer auf den Erstwohnsitz ab und musste manch politische Reformen hintenanstellen.

An kritischen Momenten hat es in Lettas kurzer Amtszeit nicht gefehlt. Die Sport- und Gleichberechtigungsministerin Josefa Idem musste im Juni wegen Steuerunregelmäßigkeiten abdanken. Wenige Wochen später sah sich der Innenminister Angelino Alfano mit einem Misstrauensantrag konfrontiert: Ihm wurde vorgeworfen, mit der Abschiebung der Frau und der sechsjährigen Tochter des kasachischen Dissidenten Muktar Ablyazov von Rom nach Kasachstan, gegen Menschenrechte verstoßen zu haben.

Auch das konfliktreiche Verhältnis Berlusconis mit der Justiz überschattete stets Lettas Regierungszeit. Am 1. August wird Berlusconi wegen Steuerbetrugs zu vier Jahren Haft verurteilt. Ob dies mit seinem Ausschluss aus dem Parlament verbunden ist, ist umstritten. Anhänger des Medienunternehmers argumentieren, das sogenannte Severino-Gesetz von 2012, wonach jeder zu mehr als zwei Jahren Haft verurteilte Politiker sein Mandat verliert, sei nicht auf frühere Delikte anwendbar. Eine für Immunitätsfragen zuständige Senatskommission wird am kommenden Freitag über Berlusconis Ausschluss aus dem Senat entscheiden. Ob die Regierung Letta bis dahin noch existiert, ist freilich fraglich.