Die Grünen haben mitunter witzige Ideen. So rannten am Mittwoch mehrere Kandidaten der Öko-Partei durch das Berliner Regierungsviertel um symbolisch den Schlussspurt für die Wahl zum Deutschen Bundestag einzuleiten. Für die einen mag es eine Gelegenheit gewesen sein, dem nass-trüben Wetter zu trotzen, aber etlichen wollte damit sicher die dunklen Wolken vor der eigenen Seele vertreiben, denn die Aussichten für ihre Partei sind milde gesagt, bescheiden.

Die Grünen spielen bei der Wahl praktisch keine Rolle. Entweder reicht es für die Koalition von CDU/CSU und FDP oder es reicht nicht, dann wird Kanzlerin Angela Merkel der SPD die Hand reichen und eine große Koalition bilden. In jedem Fall landen die Grünen in der Opposition.

Das ist angesichts der Ergebnisse nach dem Atomunfall von Fukushima Anfang 2011 erstaunlich. Damals konnten die Grünen vor Kraft kaum laufen und überprangen in Umfragen die 20-Prozent-Marke. Es folgte der Regierungsauftrag in Baden-Württemberg unter Winfried Kretschmann und die Regierungsbeteiligung in Berlin unter Renate Künast. Man nahm den Grünen nicht einmal übel, dass sich Führung und Basis widersprachen. Etwa wenn sich die Spitze für die Energiewende stark gemacht und damit sogar die CDU zum Atomausstieg bewegte, während Regionalverbände jene Trassen rigoros ablehnten, die den sauberen Strom von den Windparks in der Nordsee nach Süddeutschland transportieren sollen.

Doch dann stürzten die Grünen so radikal ab, wie sie oft ihre Ziele für die Gesellschaft formulieren. Inzwischen lautet ihr bescheidenes Ziel für den Sonntag: zweistellig bleiben und das wäre eine Steigerung zu neun Prozent in den Umfragen. Daran ist die Partei maßgeblich selbst beteiligt. Der Vorschlag eines "Veggie-Days", also eines fleischlosen Tages in öffentlichen Kantinen empfanden viele als Höhepunkt der grünen Bevormundung. Auch ihre Steuerpläne, mit denen die Partei in den Wahlkampf zog, verschreckte die bürgerliche Mittelschicht, die die Grünen zuvor als liberal-ökologische Alternative zur FDP in der Mitte entdeckt haben. Plötzlich dominierte wieder der linke Bürgerschreck die Wahrnehmung und nicht mehr die wertkonservativen Bildungsbürger a là Kretschmann.

Am meisten aber schadet die Pädophilie-Debatte, die seit Wochen um die Grünen herumwabert. Erst musste sich die grüne Überfigur Daniel Cohn-Bendit für seine Haltung rechtfertigen. Doch nun haben sie mit Jürgen Trittin ein veritables Problem, das tief in die Partei reicht. Der Spitzenkandidat hatte 1981 ein regionales Wahlprogramm unterzeichnet, in dem Straffreiheit für gewaltfreie sexuelle Handlungen zwischen Erwachsenen und Kindern gefordert wurde. Das schrieben die Politologen Franz Walter und Stefan Klecha in einem Zeitungsbeitrag für die "taz".

Einige Politiker verlangten jetzt den Rückzug von Trittin als Spitzenkandidat, der bekam aber auch Rückendeckung. Etwa bei einer Podiumsveranstaltung in seinem Wahlkreis Göttingen. Die Kandidaten aller Parteien dort hielten sich mit Kritik zurück, da Trittin seinen Fehler eingeräumt habe. In Göttingen räumte Trittin für seine Partei die Grünen insgesamt ein: "Es hat zu lange gedauert, bis wir die falschen Positionen korrigiert haben."