Zwei Präsidenten gaben sich die Hand. Der eine hieß Bill Clinton, der andere Hafez al-Assad. Mit dem Vater des heutigen Machthabers in Damaskus verhandelte der US-Präsident im Hotel Intercontinental unweit des Genfer UN-Sitzes stundenlang. Gesucht wurde eine Lösung für den Konflikt zwischen Syrien und Israel um die Golanhöhen. Die Gespräche scheiterten. Keine Seite traute der anderen. 13 Jahre danach könnte nun am selben Ort den Verhandlungen der Außenminister der USA und Russlands, John Kerry und Sergej Lawrow, über die Giftgas-Abrüstung in Syrien durchaus ein ähnliches Schicksal beschieden sein.

Als "publizistische Ohrfeige" und "ungutes Vorzeichen" werteten Diplomaten in Genf die Vorwürfe, die Russlands Präsident Wladimir Putin ausgerechnet zum Auftakt der Genfer Syrien-Gespräche in der "New York Times" gegen Washington erhob. In einem Meinungsbeitrag behauptete er, für die USA sei das militärische Eingreifen in interne Konflikte anderer Staaten zur Gewohnheit geworden. "Millionen rund um die Welt sehen Amerika zunehmend nicht als ein Modell für die Demokratie, sondern als einen Staat, der sich allein auf brutale Gewalt verlässt, Koalitionen unter dem Motto "Ihr seid entweder an unserer Seite oder gegen uns" zusammenschustert."

Dazu passt, was UN-Diplomaten aus New York über die Verhandlungen der fünf Veto-Mächte des Weltsicherheitsrates - USA, Großbritannien, Frankreich, Russland und China - über eine Syrien-Resolution berichten. Die Resolution soll für den - zunächst weithin positiv aufgenommenen - russischen Vorschlag, Syriens Chemiewaffen unter internationaler Kontrolle zu vernichten, eine konkrete und völkerrechtlich abgesicherte Handlungsanweisung darstellen. "Doch was man am East River von den Russen hört, ist wie früher fast immer nur "Njet"", sagt ein westlicher UN-Vertreter in Genf.

Russischer Vier-Stufen-Plan

Im Gegensatz zu Vorschlägen Frankreichs wolle Russland nicht, dass eine formelle Aufforderung der UN an Syrien, seine Chemiewaffen abzugeben, auch nur mit dem vorsichtigsten Hinweis auf Zwangsmaßnahmen im Falle von Zuwiderhandlung versehen wird. Ebenso wenig will Moskau einem Text zustimmen, der dem Assad-Regime auch nur die Spur einer Verantwortung für den Giftgasangriff zuweist, mit dem am 21. August nahe Damaskus Hunderte Zivilisten getötet wurden. "Njet" laut die russische Antwort auch, wenn es darum geht, den Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag mit Ermittlungen gegen mutmaßliche Verantwortliche für dieses und andere Kriegsverbrechen in Syrien zu beauftragen.

Für den Genfer Verhandlungstisch hatte Moskau im Voraus einen Vier-Stufen-Plan nach Washington gemailt. Danach soll Syrien zunächst mal der internationalen Chemiewaffenkonvention beitreten, wie das russische Außenministerium durchsickern ließ. Und just am Donnerstag machten die Vereinten Nationen bekannt, ein entsprechender Antrag aus Damaskus sei eingegangen. Danach soll die Offenlegung der Lager- und Produktionsstätten folgen. Schließlich sollen internationale Experten die Arsenale begutachten. Und erst in einer vierten Etappe soll mit der Vernichtung dieser Waffen begonnen werden.

"Wenn das die Reihenfolge bleibt, auf die man sich hier einigt, könnte es Jahre dauern, bis Syrien keine Chemiewaffen mehr hat", meinte in Genf ein westlicher Abrüstungsexperte. "Allein das formelle Beitrittsverfahren zur Konvention könnte Wochen dauern." Ob Washington das mitmacht oder auf erheblich raschere Aktionen besteht, bleibt abzuwarten. Aber Außenminister Kerry machte gleich zum Auftakt der Genfer Gespräche klar: "Worte allein reichen nicht aus." Die gängigen Fristen könnten im Fall Syriens nicht gelten.

Russlands und Amerikas Prestige

Der Sprecher der Weißen Hauses, Jay Carney, hatte es zuvor abgelehnt, eine Frist zu nennen. Jede Giftgas-Abrüstung brauche aber offenkundig "einige Zeit", erklärte er. Und um klar zu machen, wer aus Washingtoner Sicht die Schuld an einem Scheitern der Genfer Verhandlungen tragen würde, fügte er hinzu: "Russlands Prestige steht auf dem Spiel."

Derweil geht der Krieg in Syrien weiter. Von Tag zu Tag werde er sowohl durch Assads Truppen als auch durch die Rebellen mit größerer Grausamkeit und Skrupellosigkeit geführt, beklagt die vom UN-Menschenrechtsrat berufene Untersuchungskommission für Syrien. Wie lange sich ein Katz-und-Maus-Spiel um die Kontrolle über Syriens Giftgas auch hinziehen würde - es wäre Zeit, die Assad gewinnt und die Millionen von notleidenden Syrern verlieren.