Bei Zahlen kommt es immer auf die Vergleichsgröße an. In Relation zu 857.029 Wählern und 17,5 Prozent der Stimmen bei der Nationalratswahl 2008 werden Heinz-Christian Strache & Co zulegen. Doch von den einst verkündeten 33,33 Prozent ist nicht mehr die Rede. Vom ersten Platz genauso selten.

Im Kärntner Teilergebnis wiederum wollen die Freiheitlichen ihr Resultat vervielfachen. Was keine Kunst ist, denn vor fünf Jahren war Jörg Haider der populäre Platzhirsch. Formal wird die heutige FPÖ nicht mit dem damaligen BZÖ verglichen, sondern einer Gruppe rechter Anti-Haiders, die 2008 weniger als acht Prozent wählten. Die Rechnung ist freilich ein Etikettenschwindel, weil nach ihrer Wiedervereinigung fantasierten Strache und Haiders Nachfolger von den ehemals 40 Prozent der Orangen.

Protestmonopol

Das ist als Traumziel nicht einmal mit dem Fernglas in Sicht. Haider wurde entzaubert und man hat die Verurteilung seines Weggefährten Gernot Rumpold und von Uwe Scheuch als Freund Straches am Hals. Plus Untersuchungen gegen Gerhard Dörfler, Harald Dobernig & Co. Strache rief stets am lautesten "Haltet den Dieb!", wenn man FPÖ-/BZÖ-Überläufern zwielichtige Machenschaften vorwarf. Doch was sagt er, nachdem die Kärntner von ihm persönlich heim ins Parteireich geholt wurden?

Sein Hauptproblem ist allerdings der Verlust des Protestmonopols, denn es gibt das Team Stronach. Bei den Landtagswahlen in Kärnten kam die Hälfte der Stronach-Stimmen von der FPÖ. In Salzburg und Tirol war es ein Viertel, in Niederösterreich ein Fünftel. Auf Bundesebene würde die FPÖ am 29. September Hunderttausende Stimmen mehr bekommen und die Millionengrenze sicher überschreiten, gäbe es nicht plötzlich den kanadischen Milliardär als Gegner.

Noch schlimmer ist für Strache, dass er dadurch seinen Leuten keinen Weg in die Regierung anbieten kann. Früher war das egal, blaue Parteigänger verstanden sich als Opposition. Ihre Motive waren gegen "die da oben" gerichtet, zu denen man nicht gehören wollte. Inzwischen möchten rund zwei Drittel der Blauen unbedingt mitregieren.

Die FPÖ war als Partner bei anderen Parteien stets so beliebt wie der Beelzebub, doch vor Stronach bestand begründete Hoffnung, dass auch politische Teufel in der Not Fliegen fressen. Die Wunschvariante wahrscheinlich: Eine Regierungsbildung ohne FPÖ würde schwierig. Nun geht sich eine schwarz-blaue Neuauflage kaum aus.

Strache müsste die Krot blau-oranger Abgänger zu Stronach als alte und neue Freunde schlucken und in den Regierungsverhandlungen neun Alternativen ausstechen: Erstens SPÖ und ÖVP, zweitens dasselbe umgekehrt, drittens und viertens eine von diesen mit Grünen und Stronach, fünftens der rot-schwarz-grüne Dreier sowie sechstens bis siebentens theoretisch beide mit BZÖ oder Neos. Geht sich achtens und neuntens wider Erwarten die Zweierkoalition der Roten oder Schwarzen mit den Grünen aus, wird das sowieso gemacht.

Schmuddelkind

Die FPÖ ist bei den Koalitionswünschen das Schmuddelkind. Sie tut unfreiwillig viel dafür. Vor zwei Wochen hat die Zeitschrift "News" eine FPÖ-nahe Gruppe in Facebook aufgedeckt, wo neben übelsten Rechtsextremismen Politiker der Konkurrenz in widerlichster Form bis hin zur versteckten Morddrohung beschimpft wurden. Hier funktioniert die bewährte Strategie nicht mehr, sich selbst in die Opferrolle feindlicher Medien zu begeben.

Richtig ist, dass nach den Daten der Studie "Journalistenreport" die FPÖ seitens der politischen Berichterstatter kaum gewählt wird. Damit konnte Straches Mastermind Herbert Kickl wunderbar spielen. Es gefiel Protestwählern, wenn eine Verschwörung etablierter Medien und Meinungsführer konstruiert wurde. Kritiker wollen zudem nicht einsehen, dass schlechte Vertrauenssalden der FPÖ keineswegs schaden. Gerade weil 70 Prozent Strache miss- und 30 Prozent ihm vertrauen, passt es perfekt ins Konzept, wenn vermeintlich ungerechte Medienvorwürfe die Letztgenannten als Blauwähler mobilisieren helfen.

FPÖ und (Boulevard-)Medien verschaffen sich mit der gegenseitigen Dauerempörung gute Wahlergebnisse bzw. Quoten und Reichweiten. Doch der aktuelle Facebook-Skandal überschreitet zum wiederholten Mal die Grenzen der emotionalen Verträglichkeit. Anders als von Haider wurde vielleicht zu spät erkannt, dass man sich für mehr Breitenwirkung bei gemäßigten Wechselwählern rechtzeitig von ehemals braunen und nun auf andere Art allzu radikalen Fans lösen muss. Die Provokation mit dem "Ausländerthema" klappt gut, der blanke Hass nicht.

Taktisch klug plakatiert man deshalb die Nächstenliebe. Vor allem Pensionisten als Zielgruppe wollen keinen dramatischen Konflikt oder gar Umsturz. Frauen mittleren Alters als mit ihrem Wahlverhalten Zünglein an der Waage dürfen nicht abgeschreckt werden. Die Regierungsverdrossenheit verschafft der FPÖ unverändert ein großes Wählerpotenzial. Doch fehlt eine echte Wechselstimmung hin zu Strache.

Strache wird trotzdem versuchen, ein Kanzlerduell zu inszenieren. Sich in einem erfundenen Kopf-an-Kopf-Rennen größer zu machen, das hat er bereits in Wien geschafft. Obwohl der Umfragerückstand auf Michael Häupl bis zu 20 Prozentpunkte betrug. Bei Werner Faymann sind es höchstens zehn.