Großbritannien, Hauptantreiber einer harten Politik gegen Syriens Präsident Baschar al-Assad, ist nach historischen Szenen im Unterhaus aus einer Militärkoalition gegen Syrien ausgeschert. Wochenlang hatte Premier David Cameron gemahnt, die Welt dürfe nicht tatenlos zusehen, wie internationale Konventionen verletzt werden. Er vor allem drängte US-Präsident Barack Obama zum Handeln nach dem mutmaßlichen Giftgas-Einsatz durch das syrische Regime. Nun musste er selbst den Rückzug antreten. Sein Ansehen ist beschädigt. Cameron ist zum Beobachter seiner eigenen Außenpolitik geworden.

Es war die dramatischste außenpolitische Niederlage eines Premiers seit der Suezkrise 1956 - die mit dem Rücktritt von Anthony Edens endete. Kurz nach der Abstimmung räumte Cameron sein Scheitern ein und bestätigte, dass er keine weitere Genehmigung für einen Militäreinsatz ersuchen werde. Mit 285 gegen 272 Stimmen hatte das Unterhaus eine Vorlage abgelehnt, die einen Waffeneinsatz im Prinzip gebilligt hätte, sollte er "notwendig" werden.

Cameron war nicht nur seine Außenpolitik und ein Gutteil seiner Autorität unter den Fingern zerbröckelt. De facto hatte das Parlament einem Premier zum ersten Mal das sogenannte "Royal Prerogative", die Entscheidungsbefugnis über Krieg und Frieden, aus der Hand genommen. Zum ersten Mal lassen die Briten auch die USA im Stich. "Dies wird die spezielle Beziehung belasten", warnte Verteidigungsminister Philip Hammond. Der Ex-Chef der Liberaldemokraten, Menzies Campbell, befürchtet ein weiteres Schwinden des US-Interesses an Europa und Folgen für die geplante Freihandelszone.

Labour-Chef Ed Miliband warf Cameron "fahrlässige" statt "ruhiger und gemessener Führung" vor. Aber er selbst muss sich nun vorwerfen lassen, Großbritanniens Einfluss aus politischem Opportunismus untergraben zu haben. Miliband hatte 24 Stunden vor der Abstimmung einem Militäreinsatz im Prinzip noch zugestimmt, nur müsste sich die UNO mit dem Thema befassen und der Bericht der Inspektoren abgewartet werden. Aber statt der nach seinen Wünschen modifizierten Regierungsvorlage zuzustimmen und den traditionellen Konsens des Unterhauses in der Außenpolitik zu wahren, ließ sich Miliband vom Widerstand der Abgeordneten leiten.

Viele Abgeordnete erinnerten sich an die Debatte über den Irak-Krieg 2003 und das von Premier Tony Blair aufgeblasene Geheimdienst-Dossier. Die Parallelen lagen auf der Hand. Auch Cameron hatte vor der Abstimmung eine Geheimdienstanalyse veröffentlicht, die Assad mit "hoher Wahrscheinlichkeit" für den Angriff verantwortlich macht. Aber die Abgeordneten wollten die Fehler von 2003 nicht wiederholen.

Die Frage ist, ob sich die Briten nun dauerhaft von ihrer aktivistischen Außenpolitik verabschieden. Camerons engster Mitstreiter, Schatzkanzler George Osborne, sprach von einer "nationalen Selbstprüfung unserer Rolle in der Welt" und mahnte: "Ich hoffe nicht, dass wir nun den Problemen der Welt den Rücken kehren."