Kaum hatten die UN-Inspekteure die ersten Kilometer vom Four-Seasons-Hotel an den Stadtrand von Damaskus zurückgelegt, war die Fahrt schon zu Ende. Heckenschützen nahmen das erste der sieben Fahrzeuge unter Feuer und zwangen den UN-Konvoi, umzukehren. Verletzt wurde niemand. Doch die Blauhelme ließen nicht locker. Mittags unternahmen sie einen zweiten Versuch und konnten bis in die Kampfzonen in der Ghouta-Region vordringen, mit Verletzten und Ärzten sprechen sowie Blut- und Bodenproben nehmen. Beim Nachweis von Giftgas sind jedoch die seit dem Beschuss verstrichenen fünf Tage eine lange Zeit. Denn das Assad-Regime gab erst nach zähem Widerstand grünes Licht für die UN-Mission ins Umland der Hauptstadt, wo Hunderte Männer, Frauen und Kinder durch Nervengift gestorben waren. Die leichtflüchtigen Gase dürften nur noch schwierig nachweisbar sein, zudem die Armee das Gebiet zuletzt mit Raketen und Bomben systematisch durchpflügte.

Und so wächst international die Überzeugung, dass das Regime für das grausame Verbrechen verantwortlich ist und die USA zusammen mit Europa auf den Giftgas-Massenmord militärisch reagieren müssen. In Washington ging Präsident Barack Obama so klar wie nie zuvor auf Kriegskurs. US-Medien berichteten, dass das Weiße Haus "kaum Zweifel" daran habe, dass es die Regierungstruppen waren, die das Gas einsetzten. In der E-Mail eines hochrangigen Beamten, der auf Anonymität bestanden hatte, hieß es, die Zusage Assads, Inspekteure an den Angriffsort vorzulassen, komme "zu spät, um glaubwürdig zu sein".

Schon in den nächsten Tagen könnte eine Entscheidung über einen Militärschlag fallen. Nach Angaben der Zeitung "The Times" trafen sich US-Generalstabschef Martin Dempsey und sein britischer Kollege Nick Noughton am Montag in Jordanien mit hohen Offizieren aus europäischen Ländern, Kanada, der Türkei und den Golfstaaten und legten Einzelheiten der Intervention fest. Im Gespräch ist offenbar ein einmaliger Beschuss von Stellungen der syrischen Armee von Nato-Schiffen aus, die im Mittelmeer patrouillieren. Auch Frankreich macht Druck. "Alles wird sich in dieser Woche abspielen", sagte Präsident François Hollande.

Eine Intervention, sollte sie beschlossen werden, wird voraussichtlich ohne Billigung der UNO erfolgen. Denn Russland, Vetomacht im Weltsicherheitsrat, ließ nicht erkennen, dass es seinen Widerstand gegen eine Resolution aufgeben will, die sich gegen seinen Verbündeten Assad richtet. Deswegen sieht es nach der Bildung einer Koalition der Willigen aus, die - nach Vorbild des Kosovo-Einsatzes 1999 - den Angriff startet.

In der Einmaligkeit des Militärschlags liegt aber das Problem. Niemand zweifelt daran, dass es der US-Marine gelingen wird, Kommunikationseinrichtungen, Munitionslager und Stellungen von Kampfeinheiten zu zerstören. Chemiewaffen-Depots dürften wegen der Gefahr für die Zivilbevölkerung nicht zu den ersten Zielen gehören. Was aber, wenn dieser Angriff das Regime nicht entscheidend schwächt? Für diesen Fall hat Dempsey in einem Brief an den US-Kongress drei Optionen benannt. Die USA könnten eine Flugverbotszone in Syrien einrichten. Dafür müssten zuvor die 40 bis 50 im Bürgerkrieg eingesetzten Flugzeuge der Streitkräfte zerstört werden. Das erforderte das Eindringen in den Luftraum und gefährdete das Leben von Piloten. Die Kosten dafür beliefen sich auf bis zu eine Milliarde US-Dollar pro Monat.

Die zweite Möglichkeit wäre die Einrichtung von Pufferzonen entlang der Grenze zu Jordanien und zur Türkei, um Zivilisten Zuflucht zu bieten. Voraussetzung dafür wäre wiederum eine Flugverbotszone. Die dritte Option des US-Generals ist der Versuch, die Chemiewaffen unter Kontrolle zu bekommen. Dafür wären nach Dempseys Ansicht neben einer Flugverbotszone auch Tausende von US-Soldaten nötig.

Assad warnte in einem Interview mit der russischen Zeitung "Iswestia" die USA, eine Militär-intervention werde "genauso als Fehlschlag enden wie alle früheren Kriege, angefangen von Vietnam bis zum heutigen Tag".