Unsere Parlamentsparteien haben mehrheitlich ein Negativimage. Doch gibt es Alternativen zu ihnen? Offiziell existieren in Österreich 971 Parteien. Karteileichen und Kuriositätenkabinett eingeschlossen: 99-eins oder APPÖ etwa sind selbst Insidern kaum bekannt.

Erstere fielen auf, weil sie die Wahl ohnehin anfechten und in einem von Armin Wolf öffentlich gemachten Drohbrief Massenentlassungen inklusive des Moderators ankündigten, wenn die Zeit im Bild 2 nicht sofort darüber berichtet. Das zweite Kürzel steht für Alpine Pogo Partei Österreichs. Deren Internetseite beinhaltet als einzige Information, dass Totgesagte länger leben.

Parteien als Rechtsperson sind nicht identisch mit Wahlparteien als Personengruppen, die auf Listen kandidieren. Für ein Antreten in ganz Österreich braucht es 2600 Unterstützungserklärungen. Wer bloß in einzelnen Bundesländern auf dem Stimmzettel steht, hat fast keine Chance.

Rekordwert

Den bisherigen Rekordwert bildeten 15 Parteilisten in der Nationalratswahl 2008 - das ist ein Bruchteil aller Parteien -, und die Kärntner Liste STARK bekam 237 von beinahe fünf Millionen gültigen Stimmen. Das waren 0,004 Prozent. Beste "Leider-nicht-im-Parlament-Partei" wurde das Liberale Forum (LIF) mit 2,1 Prozent. Sind Kandidaturen neuer Parteien demnach hoffnungslos?

Der Politikberater Stefan Bachleitner hat vorgerechnet, dass für das Überspringen der Vierprozenthürde mindestens 200.000 Stimmen nötig sind. Wenn eine neue Partei nicht aus Abspaltern bestehender Klubs im Nationalrat besteht - siehe das Team Stronach oder das BZÖ 2006 und das LIF 1994 -, ist das aus dem Stand nicht zu schaffen.

Die in der Steiermark regional erfolgreiche KPÖ hatte national 2008 rund 37.000 Wähler. Höchstens könnte sie versuchen, in Graz und Umgebung - einem von 39 Regionalwahlkreisen - ein Grundmandat zu bekommen. Hier ist die Chancenberechnung schwierig, weil die Grazer Gemeinderatswahl 2012 und das Ergebnis der Umlandgemeinden aus der Landtagswahl 2010 sowie unterschiedliche Wahlbeteiligungen zu berücksichtigen sind. Rechnet man die KPÖ-Resultate mit der Annahme von 75 Prozent Beteiligung an der Nationalratswahl einfach hoch, reichen die Landesstimmen nie und nimmer.

Hochgerechnet

Der KPÖ-Anteil aus der Grazer Wahl hingegen würde 30.000 Stimmen als theoretisches Potenzial bedeuten, was über den schätzungsweise 27.000 Stimmen für das Grundmandat läge. Bei weniger Nichtwählern wohlgemerkt, denn das tatsächliche Ergebnis in Graz 2010 von 22.725 Stimmen ist zu wenig. Mit dem Umland kann es sich trotzdem knapp ausgehen.

Anders gesagt: Im Wahlkreis von Graz und seinen Stadtrandgemeinden sind für das Grundmandat 12 Prozent der Stimmen notwendig, und 15 Prozent haben die KPÖ schon gewählt. Doch das sind Zahlenspiele, weil mit lokalen Wahlmotiven, Kandidaten und Themen. Bei der letzten Nationalratswahl bekamen die Kommunisten in Graz unter 10.000 Stimmen.

Generell ist das Angebot sonstiger Parteien mit Wahlchancen überschaubar:

1. Am aussichtsreichsten sind die 2012 gegründeten Neos - Das Neue Österreich. Sie basieren auf der Initiative des Unternehmers Matthias Strolz, der als früherer ÖVPler ein Umsteiger ist. Dass seine Hoffnung lebt, ist der Wahlplattform mit den Resten des LIF zu verdanken. Dieses bekam 2008 über 102.000 Stimmen. Es fehlen nochmals so viel, welche laut Bachleitner von der ÖVP und Abgängern ins Nichtwählerlager zu holen seien. Hinzu kommen viele der mehr als 500.000 damaligen BZÖ-Wähler, deren Wahlmotiv Jörg Haider wegfällt.

2. 2005 entstanden Die Christen, 2009 in Christliche Partei Österreichs (CPÖ) umbenannt. Bei Landtagswahlen im Promillebereich, erhielt Manfred Gehring als Bundespräsidentschaftskandidat 5,4 Prozent. Wegen fehlender ÖVP- und Grünen-Kandidaten, sodass die Wiederholungschance null ist.

3. Die Piratenpartei Österreichs (PPÖ) formierte sich 2006 und schaffte in letzter Minute die 2600 Unterstützungserklärungen. Nur die deutsche Schwesterpartei machte sie zum Medienthema. Es folgten Gemeinderatssitze in Innsbruck und Graz infolge eines minderheitsfreundlichen Wahlrechts, zuletzt war es sehr ruhig um sie. Doch interne Streitigkeiten waren eine permanente Begleiterscheinung der Piraten, von denen sich die Realdemokraten abspalteten.

Wechselwähler

Neuparteien profitieren allein von der Verdrossenheit von der etablierten Politik. Vor allem SPÖ und ÖVP verlieren ihre Patronagefunktion. Es klappt nicht mehr, Wohnung, Job und Sozialleistungen zu versprechen. Also ist der bisher logische Deal "Ich bekomme etwas, und dafür wähle ich dich!" gefährdet.

Nicht zu unterschätzen ist dabei die Sehnsucht der Medienwelt nach Veränderung. Niemand will in Wahlberichten quasi ständig Textbausteine aus vergangenen Wahlanalysen verwenden. So stürzt man sich auf alle, die neu sind, und sichert ihnen Fernseh- und Zeitungspräsenz. Doch seit Frank Stronach bleibt wenig Platz für den Rest.

Zugleich ist der Stammwähleranteil auf ein Viertel gesunken. Genauso gibt es ein Viertel an fixen Wechselwählern, die nicht einmal lockere Bindungen zu einer Partei haben. In diesem Teich muss eine neue Partei ihre Stimmen fischen.