Die Besetzungslisten der Verwaltungsgerichte sorgen aufgrund der Nähe der Richter zu den Machtzentren von SP und VP für Entrüstung. Hätte man diese Optik nicht vermeiden müssen? BEATRIX KARL: Entscheidend war da schon die Qualifikation und nicht die politische Zugehörigkeit. Es wäre doch auch eine Diskriminierung jener Personen, die in politischen Büros gearbeitet haben, wenn ein solches Amt dann verwehrt würde. Natürlich ist die Diskussion eine unschöne.

Unschön ist auch, wenn Menschen - ob sie nun Grasser oder Müller heißen - jahrelang auf ihr Verfahren oder die Einstellung warten müssen. Ist das akzeptabel für Sie? KARL: Das ist natürlich eine äußert unbefriedigende Situation. Das ist ein Zustand, den ich niemandem wünsche. Es gibt aber Gründe, die Verfahren verzögern können. Wir arbeiten auch daran, dass Verfahren schneller werden und Staatsanwälte schneller zu Informationen kommen.

Auf welche Weise? KARL: Bei Mord ist es leicht. Da gibt es DNA-Spuren, eine Tatwaffe. Bei der Korruption muss ich die Tat erst suchen. Dafür haben wir die Whistleblower-Regelung eingeführt, bei der Menschen anonym Hinweise geben können. Das bewährt sich. Wir haben bereits 577 Hinweise. Davon waren nur zehn Prozent unbrauchbar.

Sie gelten nach der Debatte über einen missbrauchten 14-jährigen U-Häftling als Ablösekandidatin. Haben Sie Signale von der Partei, dass Sie an Bord bleiben und wollen Sie es überhaupt? KARL: Es ist paradox, vor Wahlen über Positionen zu diskutieren. Ich möchte aber gerne Justizministerin bleiben und laufende Projekte wie die Reform des Strafgesetzbuches oder die Mietrechtseform weiter begleiten.

Ihre Parteifreundin Fekter meinte, es sei kein Zufall, dass drei weibliche Minister als Ablösekandidaten lanciert werden. Das seien Intrigen von Männern. Teilen Sie den Befund? KARL: Ob das alles von Männern ausgeht, weiß ich nicht. Das ist aber mein geringstes Problem.

Wenn Sie etwas zurücknehmen könnten, was wäre das? KARL: Die Wortwahl betreffend den tragischen Fall jenes 14-Jährigen, der in der U-Haft vergewaltigt wurde.

Dass ein Gefängnis kein Paradies ist? KARL: Ja, beispielsweise.

Wie ist es Ihnen während dieses medialen Gewitters ergangen? KARL: Mit sachlicher Kritik kann ich gut umgehen, aber schwierig sind die persönlichen Attacken. Es hat wehgetan, als eiskalt dargestellt zu werden."

Wo orten Sie die größten Defizite in der Jugendhaft? KARL: Beim Personal. Das müssen wir erhöhen, vor allem bei der sozialpädagogischen Betreuung. Entscheidend ist, dass es in der Haft mehr Sportmöglichkeiten gibt und Jugendlichen einen Schulabschluss oder eine Lehre machen können.

Was wird sich bei der U-Haft von Jugendlichen ändern? KARL: Eine Task Force-Gruppe beschäftigt sich mit Alternativen. Am liebsten wäre mir, dass es gar keine U-Haft für Jugendliche gibt. Experten sagen mir aber, dass das Utopie ist. Es gibt keine Alternative bei Verdacht auf Mord, schweren Raub. Bei Jugendlichen, bei denen aber Alternativen möglich sind, bräuchten wir Angebote wie betreutes Wohnen. Es ist oft nicht möglich, einen Jugendlichen mit einer Fußfessel nach Hause zu schicken, wenn dort stabile Verhältnisse fehlen. Das Problem derzeit ist, dass jeder nur den Jugendstraffvollzug sieht und sagt, dass er versagt. Dazu stehe ich, aber man muss auch die Phasen vor und nach der Haft sehen. Man kann nicht alles der Justiz aufbürden.

Kanzler und Jugendrichter fordern die Neugründung des abgeschafften Jugendgerichtshofes. Warum stellen Sie sich dagegen? KARL: Weil es sinnvoller ist, für ganz Österreich ein Maßnahmenpaketmenpaket umzusetzen und nicht eine singuläre Maßnahme nur für Wien. Der Jugendgerichtshof ist damals ebenso unter Kritik gestanden. Es ist dort auch der außergerichtliche Tatausgleich weit seltener verhängt worden als anderswo.

Zurzeit gehen auch in der ÖVP die Wogen hoch über eine frühere Angleichung des Frauenpensionsalters. Sollen Frauen schon früher als 2033 mit 65 in Pension gehen? KARL: Das ist eine schwierige Frage, weil es bei Frauen verschiedene Lebenswelten gibt. Ich glaube nicht, dass es in der ÖVP eine Mehrheit für die frühere Angleichung geben wird. Das ist ja eine ewige Debatte. Man darf nicht vergessen, dass der Verfassungsgerichtshof 1990 entschieden hat, dass das unterschiedliche Pensionsantrittsalter verfassungswidrig ist. Dann wurde im Parlament entschieden, dass es doch verfassungskonform ist.

Was denkt sich eine Justizministerin, wenn der Verfassungsgerichtshof ausgehebelt wird? KARL: Das politische Overrulen des Verfassungsgerichtshofes macht mich als Juristin nicht glücklich.

Ein anderes Streitthema ist die Ehe für Homosexuelle, für die vom Kanzler bis zum Bundespräsidenten viele eintreten. Sie auch? KARL: Nein, wir haben für heterosexuelle Paare die Ehe, für Homosexuelle die eingetragene Partnerschaft, die Diskriminierung vermeidet. Die Ehe hat eine besondere Stellung und sollte heterosexuellen Paaren vorbehalten bleiben.

Fremdadoptionen ebenso? KARL: Ja, weil es das Beste für Kinder ist, Vater und Mutter zu haben. Da wir weit mehr adoptionswillige Paare als Kinder haben, möchte ich, dass nur jene Paare, die Kindern diesen Idealzustand bieten können, das Adoptionsrecht haben. Das bedeutet nicht, dass gleichgeschlechtliche Paare, die ja Stiefkinder adoptieren könne, nicht gute Eltern sein können.