Zu seiner Zeit als Offizier beim sowjetischen Geheimdienst KGB dürfte Wladimir Putin von einem solchen Fang wie dem US-Bürger Edward Snowden allenfalls geträumt haben. Schließlich steht der Computerspezialist, der die US-Ausspäh-Affäre ins Rollen brachte, im Ruf, für die USA eine tickende Zeitbombe zu sein. Der 30-jährige Computerexperte soll noch über so viel weiteres brisantes Material verfügen, dass er Washington - dem früheren Hauptfeind Moskaus - einen Schaden zufügen könnte wie kein Amerikaner vor ihm.

Vorerst kaltgestellt

Doch mit seinem Asylantrag in Moskau dürfte der Flüchtling nun vorerst kaltgestellt sein - und Kremlchef Putin sieht sich einmal mehr als Herr der Lage. Wohl auch deshalb zeigte sich der Präsident - noch dazu mitten im größten Militärmanöver seit Ende des Kalten Krieges - betont gönnerhaft. "Keine schmutzigen Geheimdienst-Spielchen!", versprach Putin. Viel wichtiger seien doch die internationalen Beziehungen, betonte der 60-Jährige im Fernen Osten Russlands. Schon in sieben Wochen will er sich in Moskau und St. Petersburg mit US-Präsident Barack Obama treffen. "Wir haben Snowden davor gewarnt, dass jede Tätigkeit, die den russisch-amerikanischen Beziehungen schadet, für uns unannehmbar ist", sagte Putin erneut. Der russische Anwalt Anatoli Kutscherena, der mit Snowden den Asylantrag ausgefüllt hat, berichtete von einer mündlichen Zusage des Amerikaners, sich an Putins Aufenthaltsbedingung zu halten.

Klar ist auch, dass die Russen Snowden auflaufen lassen, sollte er sein Versprechen brechen. Und im Ernstfall dürfte dem IT-Experten die Deportation in seine Heimat drohen - auch wenn Russland bisher erklärt hat, wegen der in den USA möglichen Todesstrafe ihn "niemals" auszuliefern. Das ist der Pakt in dieser Saga, die für Moskau nun schon mehr als drei Wochen andauert - ungewollt, wie Putin beteuert. Russland sieht sich her als Opfer denn als Täter. Snowden sei als ungebetener Gast am 23. Juni als Transitpassagier von Hongkong in Moskau gelandet mit Reiseziel Kuba, hatte Putin erklärt. Weil die USA Snowdens Pass annullierten, hätten sie ihr Problem nun Russland überlassen.

Putin und Obama ließen aber auch mitteilen, dass sie ihr ohnehin nicht gerade rosiges Verhältnis durch Snowden nicht weiter belasten wollen. Nicht zuletzt betont Putins Umfeld bei jeder Gelegenheit, dass Moskau keine neue Eiszeit mit den USA wolle. Kremlsprecher Dmitri Peskow weist ausdrücklich darauf hin, dass Snowden nur vorläufiges Asyl beantragt habe. Dafür sei die Migrationsbehörde zuständig. Die Entscheidung sei juristisch und nicht politisch wie bei dauerhaftem Asyl, über das der Präsident entscheide. Über alle politischen Lager hinweg herrscht in Moskau Einigkeit, dass Snowden in einer ausweglosen Notlage sei und geschützt werden müsse vor einer Auslieferung an die USA. Nach Abgabe seines Antrags bekommt er Menschenrechtlern zufolge jetzt zunächst ein Papier, mit dem er jederzeit den Flughafen verlassen kann.

Vorwurf der Doppelzüngigkeit

Nicht wenige im russischen Machtapparat sehen nun die Chance, den Fall auf eine neue Weise für Russland zu nutzen. "Die Gewährung von Asyl für Snowden wirkt sich positiv auf das Image für Russland aus. Dies zeigt, dass Russland sich dem Schutz der Menschenrechte auf internationalem Niveau anschließt", twitterte der prominente Außenpolitiker Alexej Puschkow. Dem früheren Geheimdienstchef Putin scheint dieser Dreh in der Snowden-Affäre zu gefallen. Er warf der Führung in Washington bei allen mäßigenden Worten Doppelzüngigkeit vor. Es sei eine "ziemlich komfortable Beschäftigung", Kritik an Menschenrechtsverstößen anderswo zu üben.

Vor allem Russland sieht sich hier immer wieder schärfsten Angriffen ausgesetzt. "Aber wenn jemand vorhat, die USA selbst zu kritisieren, ist das schon viel schwieriger", meinte Putin.