Es lag nicht nur am tollen Sommerwetter, dass die Prager Burg am Montag von mehr Besuchern als gewöhnlich besucht wurde. "Der Premier wird seinen Rücktritt bei Staatspräsident Milos Zeman einreichen. Vielleicht bekommen wir etwas davon mit", konnte man immer wieder hören. Und auch das: "Wir sind hier einiges gewöhnt, aber das ist doch alles sehr peinlich, was hier abläuft. Hoffentlich halten die Ermittler durch und legen den Sumpf trocken. Zeit würde es werden."

Auf Premier Petr Necas mussten die Besucher länger warten. Der Konservative von der Bürgerpartei ODS kam erst am Abend auf den Hradschin, um offiziell seine Demission zu deponieren. Zeman nahm das Gesuch an, betraute die Regierung jedoch mit der kommissarischen Fortführung der Geschäfte. Die Koalition, der auch Außenminister Karl Schwarzenberg von der liberal-konservativen TOP 09 angehört, will ohne Necas weiterregieren. Vorgezogene Neuwahlen werden aber immer wahrscheinlicher. Laut Umfragen würden die oppositionellen Sozialdemokraten derzeit haushoch gewinnen.

Die Medien berichteten indes immer abenteuerlichere Dinge über den Skandal, dessen Schlüsselfigur die Büroleiterin und Geliebte von Necas, Jana Nagyová, ist. Der wurde vom Haftrichter eröffnet, dass die Polizei ihr Telefon ein halbes Jahr lang angezapft hatte und nun auch über reichlich intime Telefonate der beiden wisse. Sollte davon etwas an die Öffentlichkeit geraten, würde es richtig unappetitlich werden. Selbst für die Tschechen, die als tolerant gelten, wenn es um eheliche Treue geht. Dementsprechend seien Frau Nagyová die Abhörprotokolle der Ermittler auch "furchtbar peinlich", wie ihr Anwalt sagte.

Die von ihr eingefädelte Beschattung der Noch-Ehefrau des Premiers bezeichnete Frau Nagyová als "naive Aktion", mit der sie aber nicht auf die Scheidung von Necas drängen wollte. Dass sie mit ihrer Beschattungs-anordnung gegenüber dem militärischen Geheimdienst jedoch vor allem auch ihre Kompetenzen weit überreizt hatte, kam Nagyová nicht in den Sinn.

Sie steht damit nicht alleine da. Tschechische Politiker gelten allgemein als ausgefuchst, andere zu benutzen, um sich zu bereichern oder noch mehr Einfluss zu sichern, als sie eh schon haben. Auch Necas selbst hält es für völlig normal, dass die Abgeordneten, die zur Rettung seiner Regierung ihr Mandat aufgegeben hatten, dafür mit hohen Posten in halbstaatlichen Firmen "abgefunden" wurden. "Hilfst du mir, dann helfe ich dir", hatte er noch zwei Tage vor seinem Rücktritt im Parlament diese Machenschaften erklärt. Bei all dem gilt Necas in Tschechien noch als "Saubermann".

Schlüsselfigur Zeman

Einer, der sich meisterhaft aufs Kungeln versteht, ist auch der jetzige Favorit auf die Nachfolge von Necas, Industrie- und Handelsminister Martin Kuba. In seinem südböhmischen Heimatkreis galt er lange als "Marionette" eines mächtigen "Paten". Das lässt ihn nicht eben als geeignet erscheinen, das Land aus dem Sumpf der Korruption zu ziehen.

Das Sagen hier hat aber eh vor allem Präsident Zeman. Der kann als Necas-Nachfolger ernennen, wen er will. Beispielsweise auch den Chef der oppositionellen Sozialdemokraten. Die hatten die letzten Wahlen nominell gewonnen, aber keinen Partner zum Regieren gefunden. Zeman könnte auch eine Beamtenregierung einsetzen. In den sozialen Netzwerken kursiert dabei häufig der Name von Václav Klaus.

Das wäre für viele Tschechen der Super-GAU. In den 1990er-Jahren hatten sich Zeman und Klaus die Macht geteilt und den Grundstein für die massive Korruption im Land gelegt. Beide trauerten dieser Zeit des gemeinsamen Schaltens, Waltens und Pfründeverteilens lange nach. Zeman war seinerzeit Premier, Klaus Parlamentspräsident. Eine Superverbindung, die an Zeiten erinnerte, da in Österreich die Roten und die Schwarzen das Land fest im Griff hatten.

Fakt ist, dass Zeman, der gerade 100 Tage im Amt ist, die jetzige Situation als seine große Chance ansieht, die eigene Macht zu stärken. Vorzeitige Wahlen sieht er nicht als die glücklichste Lösung an. Die würde ihn dieses Einflusses berauben. Die Parteien, die die Ambitionen des Präsidenten mit Argwohn beobachten, könnten Zeman also nur aus dem Spiel nehmen, wenn sie sich auf ebendiese vorzeitigen Wahlen verständigten. Doch viele Abgeordnete wissen auch, dass sie nicht wiedergewählt würden. Freiwillig geht kein Politiker gern. Schon gar nicht in Tschechien, wo das ein ziemlich lukrativer Job ist.