Es herrscht nicht gerade Gedränge in Bögöt. Das Dorfgasthaus, das einzige im Ort, hat geschlossen, beim weitgehend verwaisten Greißler daneben kauft eine müde Frau eine Flasche Mineralwasser. Auf dem Fußballplatz neben der Kirche liegt das Heu zum Trocknen; einzig ein brauner Feldhase hoppelt vor das Tor - und schnell wieder davon. Von Zeit zu Zeit sieht man eine silberhaarige Seniorin oder einen freundlich zum Gruß nickenden runzeligen Herrn auf dem Fahrrad vorbeikurven. "Heute sind vergleichsweise viele Leute auf den Beinen", sagt Thomas Artner. "Es gibt ein Begräbnis."

Artner kennt den Ort gut. Seit 15 Jahren lebt und arbeitet der geborene Niederösterreicher in dem gerade noch 200 Einwohner zählenden Örtchen östlich von Szombathely. Der kräftige 36-Jährige ist Bauer in Ungarn - doch trotz der Ruhe in Bögöt ist seine Arbeit seit zwei Jahren aufwühlend geworden. Es sind aber nicht Maulwürfe, die seine Felder bedrohen, sondern die ungarische Regierung höchstselbst. Artner ist einer von etwa 10 österreichischen Landwirten, denen der Verlust ihres grundbücherlich eingetragenen Ackerlands in Ungarn droht.

Sinnierend steht er vor den Gebäuden der ehemaligen Kolchose, die er ganz zu Beginn seiner Zeit in Ungarn mit seinem Vater erstanden hat. In den alten Ställen aus der Zeit der kommunistischen Planwirtschaft sind heute Artners Traktoren und Erntemaschinen untergebracht. Nicht weit davon entfernt dehnen sich seine Felder aus - Roggenähren wiegen sich im Wind, Rapspflänzchen recken sich Richtung Sonne. Etwa 400 Hektar Land bewirtschaftet er mit seinem Vater - "Für österreichische Verhältnisse ist das viel, für ungarische nicht", sagt er. Seine Steuern zahlt er an den ungarischen Staat.

Der Staat klagt sich selbst

Ein Teil der Felder ist gepachtet. Etwa 40 Hektar hat Artner 2011 gekauft, sein Eigentumsrecht wurde auch im Grundbuch eingetragen. Dennoch tobt darum jetzt Streit. Anfang 2012 erhielt er einen Bescheid aus Budapest, in dem ihm mitgeteilt wurde, dass seine Kaufgenehmigung aus 2011 rückwirkend für ungültig erklärt wurde, weil die die Genehmigung ausstellende Bezirksbehörde dazu nicht bevollmächtigt gewesen sei. "Das Grundbuchamt ist aber weiterhin der Meinung, dass mein Kauf rechtens war", sagt Artner. Daher klagt jetzt die Staatsanwaltschaft die Grundbuchämter - also der Staat sich selbst. Für eine weitere Fläche hatte Artner im Dezember 2011 den Eintrag ins Grundbuch beantragt - doch obwohl ihm zuvor die Kaufgenehmigung zugeteilt und ausgestellt worden war, wird ihm bis heute der Eintrag verweigert. "Das sind schon sehr fragwürdige Methoden", ärgert sich Artner. "Wem soll man da noch glauben?"

An der österreichischen Botschaft in Budapest versucht man die Bauern zu unterstützen: "Das Vorgehen der ungarischen Verwaltung ist hier sicher nicht korrekt", sagt Ernst Zimmerl, Gesandter für Agrar- und Umweltangelegenheiten. Er verweist auch auf eine mit 1. Jänner in Kraft getretene Gesetzesänderung, die von der zuständigen Behörde und vom Hauptstädtischen Gericht sogar rückwirkend - also auch auf Fälle, die schon 2012 oder früher begonnen haben - angewendet wird. "Man muss einen Fall doch nach jener Gesetzeslage beurteilen, die zum Zeitpunkt der Einreichung in Kraft war", fordert Zimmerl.

Von den acht Streitfällen in Bodenangelegenheiten, die seit Monaten beim Obersten Gerichtshof liegen, wurde vor Kurzem einer entschieden - und zwar zugunsten des betroffenen Österreichers. Für den Agrargesandten gibt dies Hoffnung, dass die Gerichte - vor allem der Oberste Gerichtshof - nicht unbedingt so entscheiden, wie die Politik es wolle. "Eine Schwalbe macht noch keinen Sommer, wir werden sehen, wie das Höchstgericht die weiteren Fälle entscheidet", bleibt er vorsichtig. "Denn ein Gefühl der Rechtssicherheit schafft das dennoch nicht, wenn man erst nach Monaten oder Jahren des Wartens Recht bekommt."

Im Büro des Premierministers sieht man die Lage anders. "Nicht alle, aber viele ausländische Bauern sind leider mit Taschenverträgen über ungarische Strohmänner zu ihrem Landbesitz in Ungarn gekommen", sagt Vize-Staatssekretär Ferenc Kumin. Es gäbe strenge Vorschriften, wer Grund kaufen dürfe, u. a. müsse man seinen Wohnsitz dauerhaft in Ungarn haben - "doch die meisten Käufer aus dem Grenzgebiet leben in Wahrheit in Österreich". Dennoch müsse sich niemand Sorgen machen: Premier Viktor Orbán habe darauf hingewiesen, dass gültige Verträge nicht rückgängig gemacht würden.

Nur vier Prozent der ungarischen Ackerfläche werden laut Zimmerl von Österreichern bewirtschaftet. Die Angst vor dem Ausverkauf sei unbegründet. "Für die Ungarn hat der Besitz von Land emotional sicher eine größere Bedeutung, als das bei uns üblich ist", meint Zimmerl. Den Vorwurf der "Taschenverträge" hält er für Polemik. Die rechtsradikale Jobbik wettere ganz bewusst gegen Ausländer, und auch Orbán wolle das Feld nicht ganz der Jobbik überlassen.

Wie das Ganze ausgehen wird? Dass sich die Österreicher ihr Geld für beanstandete Grundstückskäufe zurückholen können, glaubt Zimmerl nicht - "das ist gesetzlich nicht geregelt, und dass der Verkäufer das Geld noch hat, ist ja nicht gesagt". Thomas Artner jedenfalls will durchhalten und Ungarn nicht verlassen, solange die Verfahren anhängig sind. Immerhin befasst man sich nun auch in Brüssel mit dem Thema. "Ich bin Optimist", sagt er. "Ich hoffe, dass die EU-Kommission die Sache regeln wird."

Teil drei: So sehen Ungarn die Lage