Von Kroatiens EU-Beitritt werden beide Seiten profitieren, sowohl Kroatien als auch die EU. Das erklärte Kroatiens Präsident Ivo Josipovic im Gespräch mit der APA. Kroatien sei ein "kleines Land, jedoch mit interessanten kulturellen, wissenschaftlichen und wirtschaftlichen Potenzialen." Von der Marketingseite aus betrachtet, sei der Beitritt "Werbung für die EU in schwierigen Zeiten".

"Kroatien in keiner schlechten Lage"

Kroatien biete sich eine große Chance, so Josipovic. "Nicht, weil die EU unsere Probleme lösen wird, sondern, weil wir Reformen durchgeführt haben und diesen Prozess weiter fortsetzen werden. Außerhalb der EU bleiben wäre eine nationale Katastrophe", betonte der Staatspräsident.

Im Land biete sich ein ambivalentes Bild: "Einerseits haben wir schwere wirtschaftliche Probleme, die sich durch die Krise vertieft haben, andererseits hat Kroatien ernsthafte Reformen durchgeführt und die Kriterien der EU erfüllt. Global gesehen ist Kroatien in keiner schlechten Lage. Ja, wir haben wirtschaftliche Probleme. Aber genauso wie wir die Kraft hatten, Reformen umzusetzen, werden wir sie auch haben, um aus der Krise zu kommen".

Josipovic sah auch keine Gefahr darin, dass manche kroatische Unternehmen nach dem Beitritt nicht bestehen bleiben werden. "Diese würden auch ohne EU-Beitritt nicht überleben", so der Präsident kritisch. Mehr ausländische Unternehmen in Kroatien seien nichts Schlechtes: "Es wird investiert, neue Arbeitsplätze werden geschaffen und Steuern bleiben in Kroatien", so Josipovic pragmatisch. Bisher sei auch kein Land aus der EU ausgetreten.

"EU-Zustimmung stieg seit Referendum

Angesichts der niedrigen Wahlbeteiligung bei den EU-Wahlen am 14. April, bei der die Kroaten ihre zwölf Abgeordneten für das EU-Parlament wählten, macht sich Josipovic keine Sorgen um die Beliebtheit der EU. "Seit dem EU-Referendum ist die Zustimmung zur EU sogar leicht gestiegen." Die Volksabstimmung hatte am 22. Jänner 2012 stattgefunden.

Auch einen Rechtsruck in Kroatien wollte der Präsident angesichts des überraschenden Ergebnisses von der Rechtspopulistin Ruza Tomasic nicht gelten lassen: Das System der Vorzugsstimmen habe dieses Bild entstehen lassen, so Josipovic. "In Kroatien passiert derselbe Pendeleffekt wie in anderen Ländern. Ist die Regierung links, schwenkt es etwas nach rechts, wenn die Wähler mit der Lage unzufrieden sind. In Kroatien hat das auch zu einem Machtwechsel geführt", erklärte Josipovic mit Hinweis auf den Regierungswechsel im Jahr 2011.

Tomasic hatte im EU-Wahlkampf auch gegen die Einführung der serbischen Schrift in der kroatischen Stadt Vukovar gewettert, in der ein Drittel Serben leben und wo laut Verfassung das Minderheitengesetz zur Geltung kommt, etwa durch die Aufstellung von zweisprachigen Ortstafeln. "Es ist Aufgabe der Politik, den Bürgern die Gesetze zu erklären." Kroatien achte das Recht der Minderheiten auf eigene Sprache und Schrift. "Wir dürfen hier nicht scheinheilig sein und sagen: Wir haben zwar ein tolles Gesetz, aber wir setzen es nicht um." Man wisse natürlich um die Sensibilität von Vukovar, wo die größten Verbrechen gegen Kroatien im Krieg 1991-95 begangen wurden.

Kroatien als Stütze für Nachbarn

Josipovic ging in der Vergangenheit bewusst auf rechtspopulistische Provokationen nicht ein und äußerte sich auch zu den Freisprüchen des kroatischen Ex-Generals Ante Gotovina oder des serbischen Generals Momcilo Perisic durch das Haager Kriegsverbrechertribunal nüchtern. Doch die Aussagen des serbischen Präsidenten Tomislav Nikolic im vergangenen Jahr, wonach in Srebrenica kein Völkermord passiert sei und Vukovar eine serbische Stadt wäre, ließ das Verhältnis zwischen Kroatien und Serbien abkühlen.

"Einzelne Aussagen waren vielleicht nicht zu Ende gedacht. Alle haben ein Recht auf eine zweite Chance", zeigte sich Josipovic versöhnlich. Es werde Gelegenheit für ein direktes Gespräch zwischen ihm und Nikolic geben, ist das kroatische Staatsoberhaupt überzeugt. Sein serbischer Amtskollege ist zu den EU-Beitrittsfeierlichkeiten am 30. Juni in Zagreb eingeladen.

Seinen Nachbarn wolle Kroatien eine Stütze bei deren EU-Beitrittsbestrebungen sein, sagte Josipovic. "Wir sehen uns aber nicht als Leader, der jemand schwächeren an der Hand nimmt, sondern als Partner." Offene Fragen, etwa Grenzfragen mit allen Nachbarländern, seien keine "heißen Eisen", so Josipovic. Wenn diese zu einem werden, so wie etwa Slowenien, das mehrmals Kroatiens Beitrittsverhandlungen blockiert hatte, dann würden sie gelöst werden: "Auch das hat sich abgekühlt. Man muss nur Mechanismen finden, wie man Probleme lösen kann. Manche Dinge sind leichter zu akzeptieren, wenn ein Schiedsgericht entscheidet", erläuterte Josipovic.