Es wird schlechter, bevor es besser wird - das ist offenbar die Devise, die für Kroatiens EU-Beitritt gilt. Am 1. Juli 2013 wird Kroatien das 28. Mitglied der Union, in Zeiten einer schweren Wirtschaftskrise und Erweiterungsmüdigkeit in der EU. Müde sind nicht nur die EU-Länder, auch die Kroaten zeigten bei den EU-Wahlen vor zwei Monaten mit nur 21 Prozent Wahlbeteiligung keine Begeisterung für EU-Politik.

Sanader-Verurteilung als Signal

Das 4,4 Millionen Einwohner zählende Land hat nach den längsten Verhandlungen aller bisherigen Beitrittskandidaten nach Meinung der Europäischen Kommission sämtliche Kriterien für den EU-Beitritt erfüllt. Das Außenhandelscenter der österreichischen Wirtschaftskammer ist diesbezüglich aber vorsichtig: "Dies deckt sich im wirtschaftlichen Bereich nicht immer mit den Erfahrungen des AC Zagreb", hieß es in einem Bericht an die Kammermitglieder.

Der Wirtschaftsdelegierte in Kroatien, Roman Rauch, stößt immer wieder auf Hindernisse: "Kroatien hat die Kriterien formal erfüllt, aber man hat nicht geschaut, dass die Wirtschaft in Ordnung ist." Unverständlich sei etwa, dass ein schwach funktionierendes Justizsystem, das im Herbst noch auf die To-do-Liste der EU-Kommission kam, plötzlich in Ordnung sein solle. "Es heißt nicht, dass gar nichts weitergegangen ist. Aber dort, wo die Probleme bestanden haben, vor allem auf lokaler Ebene, sei es in der Administration oder der Justiz - da hören und sehen wir sie weiterhin."

Im Kampf gegen Korruption sandte Kroatien mit der nicht rechtskräftigen Verurteilung des Ex-Premiers Ivo Sanader zu zehn Jahren Haft u.a. wegen der Annahme von Bestechungsgeldern von der Kärntner Hypo Bank und dem ungarischen Ölkonzern MOL ein Signal, dass etwas getan wird. Auch nach dem Beitritt werde man den Fehler Bulgariens und Rumäniens nicht begehen und mit der Korruptionsbekämpfung nicht aufhören, versichern kroatische Politiker.

Kritikern ist das zu wenig. Der investigative Journalist Domagoj Margetic etwa warf der Korruptionsstaatsanwaltschaft USKOK und dem Generalstaatsanwalt Mladen Bajic im April vor dem Anti-Korruptionsausschuss im EU-Parlament Untätigkeit vor. So würde USKOK keinen einzigen Fall der Geldwäsche der Kärntner Hypo Bank in Kroatien untersuchen, so Margetic. Die Staatsanwaltschaft wies die Vorwürfe zurück.

Immense Herausforderungen nach Beitritt

Wirtschaftlich steht Kroatien auch nach dem EU-Beitritt vor immensen Herausforderungen: Sandra Svaljek, Ökonomin beim Wirtschaftsinstitut Zagreb (EIZ), sieht für die Wirtschaft heuer schwarz: "Wir haben für 2013 eine Stagnation der Wirtschaft erwartet, aber die Daten sprechen gegen eine Erholung in diesem Jahr. Wir projizieren einen Rückgang von 0,5 Prozent und erst im kommenden Jahr einen leichtes Wachstum von 1,2 Prozent", so Svaljek.

Eine Entspannung am Arbeitsmarkt sieht sie trotz erwartete Investitionen durch den EU-Beitritt aber nicht: "Mit Investitionen kommen auch Arbeitsplätze. Diese werden aber voraussichtlich nur jene beschäftigen, die bereits arbeiten, die bestehenden Kapazitäten werden genützt", sagt Svaljek. Im April waren 355.600 Menschen arbeitslos, um knapp zehn Prozent mehr als April 2012.

Der Beitritt Kroatiens öffnet viele Vorteile für internationale, auch österreichische Firmen. Kroatischen Unternehmen aber werden diese Vorteile zum Teil zu schaffen machen. "Durch den Wegfall der Zölle werden ausländische Exporteure besser konkurrieren können. Das bringt die kroatischen Firmen in eine schwierigere Position. Es könnten negative Schocks passieren", warnt Svaljek.

Gleichzeitig müssen Waren verzollt werden, die für die CEFTA-Länder bestimmt sind, die zollfreie Union der südosteuropäischen Länder. Auf Lebensmittel könnten so Zölle bis zu 45 Prozent eingehoben werden. Auf Betreiben Kroatiens verhandelt die EU-Kommission nun mit Bosnien-Herzegowina, Serbien, Montenegro, Albanien und Mazedonien über Bedingungen, die für alle EU-Länder gelten sollen. Geplant sind Mengenquoten für Waren, die nach dem Prinzip "Der Schnellere zuerst" vergeben werden sollen.

Kroatien exportierte im Vorjahr Waren im Wert von 540 Mio. Euro in die CEFTA-Länder. Laut der kroatischen Wirtschaftskammer könnten die Einbußen der Firmen bis zu 80 Mio. Euro betragen, laut EIZ wären es 0,4 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP). Eine Antwort auf das neue CEFTA-Regime ist aber auch die Abwanderung der Produktion in die CEFTA-Länder. Der kroatische Fleischproduzent Gavrilovic etwa will seine Produktion nach Bosnien-Herzegowina (BiH) verlegen. "60 Prozent unseres Exports gehen nach Bosnien-Herzegowina", begründete Gavrilovic-Sprecherin Daska Domljan den Schritt.

Tourismus wird profitieren

Gute Nachrichten gibt es dennoch: Kroatien werde attraktiver für Investoren und der Tourismus werde profitieren, prognostizierte Svaljek, weil Kroatien als sicheres Land wahrgenommen werde, nicht nur in der EU, sondern auch auf anderen Märkten. Auch die Preise dürften durch den Wegfall der Zölle nicht steigen, sondern im Gegenteil, billiger werden. Die kroatische Öffentlichkeit war für diese Nachricht jedoch nicht empfänglich: In Medien wurde die Befürchtung geäußert, dass billige und minderwertige Ware aus der EU kroatische Erzeugnisse verdrängen könnte.

Kroatien wird 2013 zwar 655 Mio. Euro aus dem EU-Budget herausbekommen können, allerdings auch schon 240 Mio. Euro einzahlen müssen. Wenn es das Land nicht schafft, geschickt von den EU-Fonds zu profitieren, wird es trotz schwieriger wirtschaftlicher Lage zum Netto-Zahler.

Umso mehr setzt die Regierung daher auf Investitionen. Eigene, vor allem im Energiebereich, und ausländische. Österreichische Investoren waren auch im Vorjahr an der Spitze der Auslandsinvestoren. Den Stockerlplatz erreichte man allerdings aus rein technischen Gründen: Etwa, weil die Hypo Bank Kroatien eine Art Bad Bank gründete und Firmenbeteiligungen auslagerte, wertete die kroatische Notenbank das als Investition. Interesse an Investitionen gibt es laut dem Wirtschaftsdelegierten Rauch weiter an Kroatien. Einige Städte wie Jastrebarsko, Varazdin oder Koprivnica seien besonders Investoren-freundlich.