Frau Ministerin Schmied, wie erklären Sie normalen Bürgern, warum bei den Verhandlungen ums Lehrerdienstrecht seit Jahren nichts weitergeht? CLAUDIA SCHMIED: Das ist eine gute Frage. Das ist im Regierungsprogramm verankert und ich weiß, dass Fritz Neugebauer, der Präsident der Gewerkschaft Öffentlicher Dienst, sehr an der Einhaltung des Regierungsprogramms interessiert ist.

Also, woran hakt es? SCHMIED: Was die Verhandlungen so schwierig macht, ist, dass vonseiten der Lehrergewerkschaft bis jetzt nichts Konkretes zu den 26 Seiten des Regierungsvorschlags gekommen ist.

300.000 Euro weniger Lebenseinkommen, das ist schon konkret. SCHMIED: Die Gewerkschaft ignoriert in ihrer Berechnung die Barwertmethode.

Was ist das? SCHMIED: Wenn ich in jungen Jahren mehr verdiene, ist es mehr wert in meinem Lebenseinkommen, als wenn ich im Alter von 60 Jahren mehr verdiene. Rechnet man so, steigt das Lebenseinkommen und selbst die Unterrichtsstunden, die mehr im Klassenzimmer zu leisten sind, werden entsprechend abgegolten. Vielleicht sollten wir einen unabhängigen Wirtschaftsprüfer um eine Stellungnahme bitten!

Wie rechnet die Gewerkschaft? SCHMIED: Man hat einfach Jahr für Jahr zusammengezählt. Das geht aber nicht. Dass wir uns über die Grundregeln der Barwertmethode unterhalten müssen, zeigt, dass wir es weniger mit Rechendetails als mit Haltungsfragen zu tun haben. Will die Gewerkschaft überhaupt ein neues Dienst- und Besoldungsrecht?

Warum sollte sie nicht wollen? SCHMIED: Im Industriebereich hat man den Druck des Marktes, da geht es um Sein oder Nichtsein des Unternehmens. Diesen Druck des Marktes haben wir im öffentlichen Bereich nicht.

Da gibt es nur den Druck der öffentlichen Meinung. SCHMIED: Ja, und es geht um Leistung und Qualität des öffentlichen Sektors, daher müssen wir sehr aufpassen, dass die Dienstnehmer ihre Position nicht überziehen, zulasten der öffentlichen Schule. Wenn wir das noch lange so weiterführen, ist der Neoliberalismus, ist Milton Friedman und der Bildungsscheck nicht mehr weit.

Wenn einfach falsch gerechnet wird, warum wird da nicht sofort öffentlich widersprochen? SCHMIED: Das ist eine Kulturfrage. Dienstnehmer, Dienstgeber gehen aufeinander zu, man vereinbart Stillschweigen und arbeitet gemeinsam lösungsorientiert.

Das ist jetzt vorbei? SCHMIED: Jetzt kommt das 28. Zusammensein, und wenn Runde um Runde nichts weitergeht, dann mehren sich Fragen wie die, die Sie stellen.

Warum wird nicht im Wochenrhythmus verhandelt? SCHMIED: Gute Frage.

Sie schlagen häufigere Treffen vor? SCHMIED: Und dann kommt wieder länger kein Termin zustande. Wenn ich dann lese: "Na, dann verhandeln wir noch zwei, drei Jahre", dann sage ich, das können wir den Eltern und Schülern nicht mehr zumuten. Wenn ich lese vom "langen Atem der Leidenschaft", da fürchte ich, dass der lange Atem Leiden schafft.

Wie viele Leute sind denn betroffen, wenn jetzt wieder kein Ergebnis erzielt wird? SCHMIED: Das sind derzeit jährlich um die 3000 Lehrer und Lehrerinnen. In Oberösterreich wandern die jungen Lehrer reihenweise nach Bayern ab, weil sie dort mehr verdienen. 500 Euro mehr im Monat haben oder nicht, das ist ja ein substanzieller Unterschied.

Geht's auch ohne Sozialpartner? SCHMIED: Das Parlament könnte das Gesetz beschließen. Aber wir leben in einem Land, wo die Kultur der Sozialpartnerschaft großgeschrieben wird. Eine sozialpartnerschaftliche Lösung wäre auch tragfähiger.

Gelingt es vor der Wahl oder haben Sie das schon aufgegeben? SCHMIED: Nicht ich, wir. Das ist ein Regierungsprogramm. Ein einzelner Minister ist hier auf verlorenem Posten. Ich sage, wenn man will, schafft man das. Man kann im Parlament Sondersitzungen machen.

Das drohende Scheitern überschattet alles, was sonst geschah. SCHMIED: Ja, es gibt viele gute Beispiele, wo es geht: die Pädagoginnen-Bildung mit Minister Töchterle, die Ganztagsschulen mit Landeshauptmann Wallner, den Landeshauptleuten und Präsident Mödlhammer, die Sprachförderung mit Staatssekretär Kurz. In Summe sind wir bei 59 Regierungsvorlagen.

Sollen Kanzler und Vizekanzler direkt eingreifen? SCHMIED: Die nächste Verhandlungsrunde sollte man noch abwarten, aber dann wäre es wichtig, dass sich Kanzler und Vizekanzler einschalten.