"Mit dem Rücken zur Wand", "Einsamer Mann" oder "Das schreckliche Jahr": Zum ersten Jahrestag der Machtübernahme zeichneten französische Medien in den vergangenen Tagen ein desaströses Bild von der bisherigen Amtszeit von Staatschef Francois Hollande. Bei einer fast dreistündigen Pressekonferenz im prunkvollen Festsaal des Élyséepalastes warb der 58-Jährige am Donnerstag erneut um Zeit und Vertrauen. Wesentliche Reformen für mehr Wettbewerbsfähigkeit und Arbeitsplätze seien umgesetzt, eine von der Opposition geforderte Regierungsumbildung sei nicht an der Tagesordnung.

Den Franzosen fällt es allerdings von Tag zu Tag schwerer, den Durchhalteparolen ihres als Hoffnungsträger gestarteten Präsidenten Glauben zu schenken. Ende April musste die Regierung einen traurigen Rekord bei den Arbeitslosenzahlen melden, an diesem Mittwoch bestätigte die Statistikbehörde Insee die seit Wochen geäußerten Befürchtungen, dass Frankreich erneut in eine Rezession gerutscht ist.

Meinungsforschungsinstituten zufolge hatte in den vergangenen Jahrzehnten kein französischer Präsident so schlechte Umfragewerte wie Hollande - und dies bereits vor den jüngsten düsteren Wirtschaftsdaten. Sein Job sei es nicht, beliebt zu sein, sondern die richtigen Entscheidungen zu treffen, kommentierte der Sozialist am Donnerstag auf eine Journalistenfrage zum Thema. Er wolle am Ende seiner Amtszeit und anhand seiner Entscheidungen für Frankreich beurteilt werden.

Pensionsreform angekündigt

Die für die kommenden Monate angekündigte Pensionsreform dürfte allerdings kaum für Freudentaumel bei den Wählern sorgen. Da die Lebenserwartung steige, werde man auch ein bisschen länger arbeiten müssen, kündigte Hollande an - ohne Details zu nennen. Zu Beginn seiner Amtszeit hatte er noch das von seinem konservativen Vorgänger Nicolas Sarkozy heraufgesetzte Pensionseintrittsalter für besonders früh ins Berufsleben gestartete Franzosen wieder auf 60 Jahre abgesenkt. Dies war eines seiner großen Wahlversprechen gewesen.

Merklich bemüht zeigte sich Hollande um die deutsch-französischen Beziehungen. In einem Interview des "Wall Street Journal" hatte er noch vor wenigen Tagen die Egoismus-Kritik von Parteifreunden an der deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel gestützt. Die Kanzlerin habe Wahlen vor sich und könne deswegen nicht den Eindruck erwecken, sie kümmere sich mehr um die Sorgen Europas als um die der Deutschen. In einem Entwurf für ein Strategiepapier hatten führende Sozialisten zum Kampf gegen "die egoistische Unnachgiebigkeit von Bundeskanzlerin Merkel" aufgerufen.

Am Donnerstag nahm Hollande die deutsche Regierungschefin nun in Schutz und zeigte sich zuversichtlich, dass es trotz der bevorstehenden Wahlen in Deutschland Kompromisse in der EU-Politik geben werden. Zu dem Urnengang an sich wollte sich Hollande, einstmals Chef der SPD-Schwesterpartei Parti Socialiste (PS), nicht näher äußern. "Ich werde keine Prognosen abgeben. Ich respektiere die deutschen Wähler", sagte der französische Präsident.

Kurz zuvor war Merkel bei einem Auftritt auf Hollande zugegangen: "Das deutsch-französische Verhältnis steht auf einem sehr starken Fundament". Sie habe trotz Differenzen in der Sache ein gutes Verhältnis zu Hollande, sagte die Kanzlerin beim Europaforum des Westdeutschen Rundfunks (WDR).