David Camerons Koalitionspartner Nick Clegg fiel aus allen Wolken, als der britische Premier während einer USA-Reise mit einem Friedensangebot an seine rebellischen Hinterbänkler ein neues Kapitel in der Koalitionsgeschichte aufschlug. Cameron versprach den Aufrührern, das für 2017 geplante Referendum über einen Austritt Großbritanniens aus der EU gesetzlich zu verankern.

In der jährlichen Thronrede der Queen, in der Elizabeth II. sonst alle Gesetzesvorhaben vorstellt, hatte sehr zum Zorn der Tory-Euroskeptiker das Austrittsreferendum gefehlt. Die Hinterbänkler haben daher für heute im Unterhaus eine Schauabstimmung über das eigene Regierungsprogramm angesetzt.

Ändern würde eine solche Abstimmung nichts. Aber aller Welt zeigen, wie gespalten die regierenden Tories in der Europafrage sind. Kommentatoren sprechen von einer "Schmierenkomödie". "Der Schaden für die Autorität des Premiers ist katastrophal", schrieb der "Independent".

Im Januar hatte Cameron in einer historischen Rede zum ersten Mal den Bruch der Briten mit der EU in Aussicht gestellt und ein Referendum versprochen - auch in der Hoffnung, die Antieuropäer in seiner Partei zu beschwichtigen. Vor dem Referendum werde er versuchen, eine neue, konstruktive Beziehung zwischen Großbritanniens und der EU zu formen. Kein Geringerer als US-Präsident Barack Obama stellte sich am Montag hinter ihn. Bei einer Pressekonferenz mit Cameron im Weißen Haus sagte er: "David will sehen, was zu reparieren ist, bevor der Bruch vollzogen wird. Das scheint sinnvoll".

Angst vor der Wahl

Camerons eigenen Parteifreunde haben nicht so viel Geduld. Sie fürchten, dass der Premier die Unterhauswahl 2015 verliert und seine Versprechen nur Luft sind. Deshalb drängen sie darauf, das Referendum-Versprechen gesetzlich zu verankern.

Dass Camerons neue Manöver nun Frieden in die Tory Partei bringen, ist unwahrscheinlich. Vielmehr dürften die Auseinandersetzungen über die künftige EU-Taktik nun auch die Koalition mit den europafreundlichen Liberaldemokraten und das ganze Unterhaus erfassen - was Cameron wohl bezwecken will. Je näher die Wahl 2015 rückt, je aufgeregter die Tory-Hinterbänkler werden, desto deutlicher müssen die Trennlinien zwischen den Koalitionsparteien gezogen werden. Auch will Cameron die oppositionelle Labour-Partei zwingen, zu Europa Farbe zu bekennen. "Die Leute müssen kapieren, dass sie die Tories wählen müssen, wenn sie ein Referendum über die EU wollen", sagt Tory-Parteisekretär Grant Shapps.

Einige Tory-Europagegner begrüßten Camerons Angebot, wie der Europa-Dauerrebell Douglas Carswell. "Danke Premierminister. Das genügt", schrieb er. Andere EU-Skeptiker lehnten Camerons Angebot sogleich ab wie der frühere Tory Minister John Redwood. Großbritannien könne mit den bestehenden, "massiv zentralisierenden" EU-Verträgen nicht richtig regiert werden, "wir können nicht bis 2017 warten".

Erdrutsch nach rechts

Hintergrund der Ungeduld ist der Aufstieg der Anti-Europapartei "Ukip", die bei Grafschaftswahlen Anfang Mai sensationelle 25 Prozent der Stimmen bekam. Umfrage zufolge geht der Aufstieg "Ukips" rasant weiter - auf Kosten aller anderen Parteien. Kommentatoren sprechen von einer "Volksrevolte gegen die politische Klasse". Die Autorität von Premier Cameron als Torychef steht auf einem Tiefpunkt.

Eine Flut eminenter Tory-Politiker wechselte in den vergangenen Wochen ins Anti-EU Lager, angeführt von Margaret Thatchers ehemaligem Schatzkanzler Nigel Lawson. Mit einem Artikel in der Times warf er eine Handgranate in die Tory Partei, als er schrieb, die wirtschaftlichen Kosten der britischen EU-Mitgliedschaft würden von ihrem Nutzen nicht mehr aufgewogen. Austritt, so der hochrespektierte Lawson, sei die beste Lösung.

Andere Tory-Größen folgten wie der frühere Schatzkanzler Norman Lamont. Dann meldeten sich sogar zwei amtierende Minister. "Wenn wir die Wahl haben zwischen der EU von heute und dem Ausscheiden bin ich für den Austritt", sagte Verteidigungsminister Philip Hammond.

Auch der gerne als Alternative zu ´Cameron hochgespielte Londoner Bürgermeister Boris Johnson mischte sich in die Debatte. Im "Daily Telegraph forderte er den Premierminister auf, mehr Flagge zeigen. "Wenn die Verhandlung mit der EU eine Chance auf Erfolg haben sollen, müssen wir zeigen, dass wir zum Austritt bereit sind", warnte er.