Italien macht sich auf die Suche nach einem möglichen Nachfolger für Präsident Giorgio Napolitano. Solange kein Nachfolger für das seit sieben Jahren amtierende Staatsoberhaupt gewählt wird, können in Italien keine Neuwahlen als Ausweg für den politischen Stillstand infolge des Patts bei den Parlamentswahlen im Februar ausgerufen werden. Verfassungsgemäß darf in den letzten sechs Monaten vor Ablauf des Mandats des Präsidenten das Parlament nicht aufgelöst werden. Napolitano kann daher keine Neuwahlen ausrufen, solange er noch im Amt ist. Kein Wunder, dass die Wahl eines Nachfolgers von Napolitano zu einer prioritären Angelegenheit für das politische Rom aufgerückt ist.

Neuer Präsident bis 15. Mai

Experten zufolge könnte der ursprünglich für 22. April erwartete Beginn der Präsidentenwahl im Parlament voraussichtlich schon auf den 18. April vorverlegt werden. Der neue Präsident muss bis zum 15. Mai gewählt werden. Über den Namen des möglichen neuen Präsidenten wird schon wild spekuliert, bisher gibt es jedoch keinen absoluten Favoriten.

Der Chef der Mitte-rechts-Allianz, Silvio Berlusconi, beansprucht das Amt des Präsidenten für einen Politiker aus seinem Lager. Die Mitte-links-Allianz, die mit äußerst knapper Mehrheit zur stärksten Parlamentskraft avanciert sei, habe bereits die Parlamentspräsidenten Laura Boldrini und Piero Grasso gestellt. Daher habe der Mitte-rechts-Block jetzt Recht darauf, den Präsidenten zu bestimmen, behauptet Berlusconi. Er unterstützt die Kandidatur seines Vertrauensmannes, des langjährigen Staatssekretärs Gianni Letta. Als Alternative schlägt Berlusconi eine Mandatsverlängerung Napolitanos vor, obwohl der 87-Jährige aus Altersgründen bereits öfters eine zweite Amtzeit entschieden ausgeschlossen hat.

Chancen für Romano Prodi

Chancen werden dem Ex-EU-Kommissionspräsidenten Romano Prodi eingeräumt, dessen Kandidatur von der Mitte-Links-Allianz aktiv unterstützt wird. Als weitere Kandidaten aus dem Linkslager gelten der Ex-Senatspräsident Franco Marini und der Ex-Premier Giuliano Amato. Als Alternative kommt im linken Lager die Senatorin der Demokratischen Partei, Anna Finocchiaro, infrage. Ihre Kandidatur wird auch vom Chef der Lega Nord Roberto Maroni unterstützt. Napolitano hatte sich ohnehin kürzlich für die Wahl einer Frau zur Staatschefin ausgesprochen. Finocchiaro könnte zur ersten Präsidentin in der italienischen Geschichte werden.

Als weiterer möglicher Kandidat für Napolitanos Nachfolge gilt der angesehene Jurist Gustavo Zagrebelsky, der zwischen 1995 und 2004 als Verfassungsrichter amtierte. Die Protestbewegung "Fünf Sterne" um den Starkomiker Beppe Grillo hatte den Literatur-Nobelpreiseträger Dario Fo zum neuen Präsidenten vorgeschlagen, dieser erklärte sich jedoch zu einem politischen Einsatz nicht bereit.

Wichtigste Befugnis: Die Auflösung des Parlaments

Die Wahl des neuen Präsidenten könnte sich als kompliziert erweisen. Der Staatspräsident wird von den beiden in gemeinsamer Sitzung zusammentretenden Parlamentskammern und Vertretern der 20 Regionen gewählt: Drei pro Region, mit Ausnahme des Aostatals, das nur einen Vertreter entsenden darf. Die Wahl des Präsidenten findet durch geheime Abstimmung mit Zweidrittelmehrheit der Versammlung statt. Nach dem dritten Wahlgang genügt die absolute Mehrheit. Wählbar in dieses Amt sind alle Italiener, die das fünfzigste Lebensjahr vollendet haben und im vollen Besitz ihrer bürgerlichen und politischen Rechte sind.

Laut Verfassung nimmt der Präsident in Italien vorwiegend repräsentative Funktionen wahr, beteiligt sich an der Regierungsbildung und ist Oberbefehlshaber der Streitkräfte. Eine entscheidende Rolle kommt ihm bei der Bewältigung von Regierungskrisen zu, die in der italienischen Republik in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts wesentlich häufiger waren als in anderen europäischen Ländern. Seine wichtigste Befugnis ist die Auflösung des Parlaments. Er kann eine Kammer oder beide auflösen.