Das komplizierte System, das den Wählerwillen gleich mehrfach verzerrt, sorgt erneut für einen Wahlkrimi. Hochrechnungen nach der Auszählung eines Drittels der Stimmen lassen den schlimmsten Fall befürchten - nämlich die Unregierbarkeit durch eine politische Pattsituation in den beiden Parlamentskammern Abgeordnetenhaus und Senat.

Während im Abgeordnetenhaus laut ersten Prognosen eine Mehrheit des Mitte-links-Lagers um Pierluigi Bersani als sehr wahrscheinlich gilt, ist diese im Senat mehr als unsicher. Besondere Bedeutung kommt großen Regionen wie Sizilien oder der Lombardei zu, wo sich die beiden Lager ein Kopf an Kopf-Rennen liefern.

Obwohl von allen Seiten heftig kritisiert, gelang es der Expertenregierung von Mario Monti nicht mehr, das Wahlrecht vor ihrem Rücktritt zu ändern. Das 2005 von der Regierung Berlusconi eingeführte Gesetz ist ein Proporzsystem mit komplizierten Mehrheitsboni. Wenige Monate vor der Wahl 2006 durchgeboxt, sollte es den drohenden Wahlsieg des Mitte-links-Bündnisses um Romano Prodi verhindern. Der Urheber des Gesetzes - der damalige Reformenminister Roberto Calderoli von der Lega Nord - nannte sein Werk in einem Interview wenig später selbst eine "Sauerei". Daraus leitete der prominente Politologe Giovanni Sartori den heute gängigen Namen für das Wahlrecht ab. Auch die Intention Berlusconis misslang: 2006 konnte sich Prodi nach einem ähnlichen zweitägigen Wahlkrimi mit nur hauchdünnem Vorsprung die Mehrheit im Senat sichern.

Im Abgeordnetenhaus des Parlaments garantiert das Gesetz dem Gewinner eine stabile Mehrheit. Das Wahlbündnis mit dem relativ höchsten Stimmanteil erhält automatisch 54 Prozent der 630 Sitze. Zugleich gibt es fixe Wahllisten und somit keine Möglichkeit der Personenwahl. Die Kandidatenlisten und ihre Reihenfolge werden von den Parteiführungen zentral erstellt. Die Einstiegshürde von vier Prozent der landesweiten Stimmen fördert die Bildung von Koalitionen vor der Wahl. Für Parteienbündnisse gilt eine Zehn-Prozent-Hürde, für deren Einzelparteien eine Zwei-Prozent-Hürde.

Haarig wird das Wahlrecht vor allem bei der zweiten Parlamentskammer, dem Senat. Auch hier gilt ein Mehrheitsbonus, der dem Wahlbündnis mit einer relativen Mehrheit mindestens 55 Prozent der Sitze garantiert. Der Mehrheitsbonus wird jedoch auf regionaler Basis vergeben, wodurch sich im Senat eine andere Mehrheit ergeben kann als in der Abgeordnetenkammer und damit - wie nun befürchtet - die Unregierbarkeit droht. Auch die Eintrittshürde im Senat gilt auf regionaler Ebene und ist mit 20 Prozent für Listenverbindungen und acht Prozent für Einzelparteien sehr hoch. Die beiden italienischen Parlamentskammern Abgeordnetenkammer und Senat sind im Gesetzgebungsverfahren gleichberechtigt.