Für empfindlich hält man Bojko Borissow auf den ersten Blick nicht. Aber als er gestern seinen Rücktritt ankündigte, stand Bulgariens Premierminister die Erschütterung ins Gesicht geschrieben. "Es war das Volk, das uns die Macht verliehen hat, und wir geben sie ihm heute zurück", sagte der Ex-Personenschützer und Karatetrainer.

Wer Borissow kennt, nimmt die Worte ernst. Vor dreieinhalb Jahren war der heute 53-Jährige angetreten, es besser zu machen, ehrlich und authentisch zu bleiben. Der Liebesentzug des Volkes traf den populären Premier darum doppelt. Seit fast zwei Wochen protestieren täglich empörte Bulgaren gegen die hohen Stromrechnungen und gegen die europatreue Sparpolitik der Regierung. Die Zahl der Demonstranten liegt bei wenigen Tausend. In der Nacht auf Dienstag aber kam es in Sofia zu den bisher schwersten Zusammenstößen: 25 Demonstranten mussten ins Krankenhaus. Regierungschef eines Landes, wo die Polizei Menschen verprügle, wolle er nicht sein, sagte Borissow.

Eigentlich war schon für den 7. Juli die Neuwahl angesetzt. Staatspräsident Rossen Plewneliew hat für heute eine Erklärung angekündigt. In Sofia wird damit gerechnet, dass das Staatsoberhaupt die Neuwahl auf Ende April vorziehen wird. Borissow und sein Kabinett bleiben bis zur Bildung einer neuen Regierung im Amt. Für eine Übergangsregierung stehe er nicht zur Verfügung, sagte Borissow. Ob er erneut als Spitzenkandidat seiner "Bürger für eine demokratische Entwicklung Bulgariens" antreten will, ließ er offen. Finanzminister Simeon Djankow, den Borissow erst am Vortag entlassen hatte, sagte, er wolle im Amt bleiben und an der Seite Borissows die Wahlen gewinnen. Der Premier konterte kühl: "Ich habe ihn entlassen und meine Meinung auch nicht geändert". Djankow ist als Verantwortlicher für den Sparkurs für die Demonstranten das bevorzugte Feindbild.

Warum in Bulgarien die Stromrechnungen im Februar so hoch ausgefallen sind, ist immer noch nicht recht klar. "Der Abrechnungszeitraum war diesmal länger", sagt Stefan Zach vom Konzern EVN, der den Süden und Osten des Landes beliefert. Wegen der Weihnachtstage habe man Ende Dezember nicht ablesen können und den Betrag einen Monat später in Rechnung gestellt. Die Demonstranten vermuten stattdessen Bereicherung der ausländischen Anbieter als Grund.

Ende 2004 hat die Regierung unter dem Ex-König Simeon von Sachsen-Coburg-Gotha sowohl das Elektrizitätsnetz als auch die Stromversorgung an drei ausländische Konzerne verkauft. Die tschechischen CEZ und Energo-Pro sowie die österreichische EVN halten regionale Monopole. Der Strompreis ist staatlich reguliert und garantiert den Konzernen den Rückfluss ihrer Investitionen sowie eine "angemessene Rendite". Die Konstruktion bringt ein ständiges Tauziehen zwischen Regierung und Konzernen um den Preis mit sich.

Besonders die tschechische CEZ steht im Visier der Kritiker: Der Gesellschaft wird vorgeworfen, nur Profite abzuziehen und nicht ordentlich in das marode Netz zu investieren.