Korruptionsaffären ohne Ende erschüttern Italien vor den Wahlen Neue Skandale belasten staatliche Konzerne, Topmanager sowie die Bank Monte Paschi und beeinträchtigen das Ansehen des Landes bei ausländischen Investoren (Von Micaela Taroni/APA) Rom (APA) -

"Saubere Hände", so nannte die Mailänder Staatsanwaltschaft zu Beginn der 90er Jahre ihre flächendeckenden Ermittlungen gegen die korrupte politische Klasse Italiens. Abgeordnete, Minister und Parteifunktionäre wanderten damals reihenweise in Untersuchungshaft; 1.254 von ihnen wurden verurteilt, Italiens "Erste Republik" brach zusammen. 21 Jahre sind seit der Aktion "Mani pulite" vergangen, die eine ganze Führungselite hinweggefegt hat, doch die Korruption in Italien ist alles andere als ausgemerzt. Im Gegenteil, sie grassiert wie schon lange nicht mehr. Das ist an der neuen Serie von Korruptionsskandalen zu erkennen, die Italien wenige Tage vor den Parlamentswahlen am 24. und 25. Februar schwer belasten und das Ansehen des Landes bei ausländischen Investoren ankratzen.

"Wir erleben ein neues Tangentopoli"

Angesichts der jüngsten Korruptionswelle der vergangenen Wochen fühlt man sich in Italien wieder in die Atmosphäre der beginnenden 90er-Jahre zurückversetzt. Zahlreiche Unternehmer, Topmanager und Spitzenpolitiker wurden in den vergangenen Tagen wegen Verwicklung in Korruptions- und Schmiergeldaffären verhaftet. "Wir erleben ein neues Tangentopoli", sagte zuletzt der scheidende Premier Mario Monti in Anspielung auf die Korruptionsskandale vor zwei Jahrzehnten. Monti, der an der Spitze eines Zentrumsblock ins Rennen um die Parlamentswahlen geht, hat sich den Kampf gegen die Korruption auf die Fahnen geschrieben.

Für Aufregung sorgte vergangene Woche die Verhaftung von Giuseppe Orsi, Geschäftsführer des staatlichen Rüstungskonzerns Finmeccanica, wegen Schmiergeldzahlungen für die Lieferung von Hubschraubern an die indische Regierung. Orsi, der vergangene Woche seinen Rücktritt einreichte, wird vorgeworfen, dass beim Verkauf von zwölf Hubschraubern im Wert von umgerechnet knapp 560 Millionen Euro an Indien im Jahr 2010 mehr als 50 Millionen Euro Schmiergelder geflossen seien. Orsi, der mit der Unterstützung der rechtspopulistischen Partei Lega Nord, Verbündete von Ex-Premier Silvio Berlusconi, bestellt worden war, beteuert seine Unschuld.

Für Schlagzeilen sorgen auch die Justizermittlungen wegen des Verdachts der Korruption gegen den Chef des italienischen Ölkonzerns Eni, Paolo Scaroni. Ermittlungen laufen gegen Eni und die Tochterfirma Saipem. Sie sollen Bestechungsgelder in Höhe von knapp 200 Millionen Euro an algerische Politiker gezahlt haben. Hintergrund sei die Vergabe eines Auftrags in Algerien mit einem Volumen von 8,12 Milliarden Euro.

Geheime Finanztransaktionen

Im Rampenlicht der Medien steht seit Wochen das älteste Geldhaus der Welt, die Bank Monte dei Paschi di Siena. Geheime Derivategeschäfte haben der bereits angeschlagenen Großbank Verluste von 730 Millionen Euro beschert. Der Fall der Bank ist in Italien ein heißes Wahlkampfthema. Vor allem die laut Umfragen führende Mitte-links-Allianz leidet darunter, dass sie indirekt die Kontrolle über die Krisenbank in der Toskana innehat und daher mit dem Skandal in Verbindung gebracht wird. Geheime Finanztransaktionen sollen laut Justizermittlungen dazu gedient haben, die Aufdeckung der tiefroten Zahlen des angeschlagenen Geldhauses auf später zu verschieben. Damalige führende Manager sollen ihre Praktiken vor den Kontrolleuren und auch den Anteilseignern verborgen haben. Der Ex-Präsident der Bank, Giuseppe Mussari, wurde am Freitag kurz vor der Vernehmung durch die Staatsanwälte von Siena von einer Gruppe Demonstranten ausgepfiffen und mit Münzen beworfen.

Die Justizermittlungen belasten auch die Fußballwelt. Der Unternehmer Massimo Cellino, Präsident des italienischen Fußball-Clubs Cagliari Calcio wurde im Zuge eines Skandals rund um den Bau eines Stadions in Sardiniens Hauptstadt Cagliari verhaftet. Ihm werden Unterschlagung und Dokumentenfälschung im Zusammenhang mit dem Neubau des Stadions in der Gemeinde Quartu vor den Toren Cagliaris vorgeworfen. Neben Cellino wurden auch Quartus Bürgermeister Mauro Contini und ein weiterer Mitarbeiter verhaftet.

Korruption wächst stetig

Die Korruption in der öffentlichen Verwaltung wachse ständig und die Justiz sei machtlos, warnte zuletzt der Präsident des italienischen Rechnungshofes Luigi Giampaolino in seinem Jahresbericht. Die ausufernde Korruption belaste Italiens Wirtschaft und bewirke Schäden in Höhe von 60 Milliarden Euro jährlich. Das von einer schweren Rezession geplagte Italien sei in einem Jahr um drei Stellen auf Platz 72 im Länderranking zur Korruption abgerutscht. Damit habe Italien schlechter abgeschnitten als Staaten wie Tunesien und Ghana und sei auf demselben Niveau wie Bosnien gelandet. Die Korruption unterminiere vor allem die Glaubwürdigkeit der öffentlichen Verwaltung, sie gefährde die Demokratie und die Konkurrenz im Wirtschaftssystem. Auch in Gesellschaften mit privatem und öffentlichem Kapital sei das Phänomen der Korruption weitverbreitet. Ungerechtfertigte Anstellung von Personal und Beratern sowie Begünstigungen befreundeter Unternehmen bei der Vergabe von Lieferungsaufträgen würden häufig in derartigen Gesellschaften vorkommen, sagte Giampaolino.

Die Korruptionsfälle betreffen vor allem die reichsten Regionen Italiens wie die Lombardei, sowie jene mit einer hohen Zahl von Staatsbeamten wie Latium, Kampanien und Sizilien, erklärte der Präsident des Rechnungshofes. Der Kampf gegen die Korruption sei eine wesentliche Bedingung, damit Italien wieder den Weg des Wirtschaftswachstums einschlagen könne. Mangel an Transparenz in der öffentlichen Verwaltung hätte in den vergangenen Jahrzehnten die Entwicklung des Landes stark gebremst. Der Chef der Mitte-links-Partei "Italien der Werte" (Idv) und bekannte Ex-Staatsanwalt Antonio Di Pietro nannte die Korruption ein Krebsgeschwür. Das zuletzt von der Regierung Monti verabschiedete Anti-Korruptionsgesetz bezeichnet Di Pietro als unzulänglich, um das Problem aktiv zu bekämpfen.