Salzburg ist im politischen, emotionellen und budgetären Ausnahmezustand. Schlummern auch in anderen Bundesländern faule Finanzgeschäfte?

JOSEF MOSER: Wir haben in Länder und Gemeinden leider ein Rechnungswesen, das verhindert, dass wir uns einen vollständigen Überblick über die finanzielle Lage einer Gebietskörperschaft verschaffen können. Wichtige Begriffe sind überhaupt nicht definiert. Was sind Finanzschulden? Was sind nicht fällige Verwaltungsschulden? Wie schaut es mit Bewertungsvorschriften aus?

Wie schaut es bei den Derivaten aus, die den Salzburger auf den Kopf fallen?

MOSER: Derivate sind vielfach nur vertragliche Vereinbarungen, die nicht in den Rechnungsabschlüssen dargestellt werden. Länder und Gemeinden müssen diese gar nicht ausweisen. Aussagen über wahre Vermögensverhältnisse sind nicht möglich.

Was ist die Ursache für dieses Flickwerk? Will man was verschleiern? MOSER: Das Rechnungswesen ist von der Kameralistik geprägt, deshalb werden auch keine Abschreibungen verbucht oder Bestandsminderungen ausgewiesen. Daher sorgt das Rechnungswesen für keinen Überblick. In Salzburg etwa gibt es einen Wohnbaufonds. Die Verwaltung wird vom Land wahrgenommen, die Gebarung ist aber nicht im Landeshaushalt dargestellt. Das Rechnungswesen weist viele Lücken auf.

Lücken? Es ist löchriger als ein Emmentaler. Sind zumindest die Rechnungsabschlüsse in der Steiermark oder Kärnten verlässlicher, übersichtlicher und transparenter als in Salzburg?

MOSER: Jedes Land kann seine Finanzschulden, seine Rücklagen, seine Verwaltungsschulden, seine Haftungen anders darzustellen. Wir haben drei Ländern, Niederösterreich, Kärnten, Tirol miteinander verglichen und festgestellt, dass diese sechs verschiedene Schuldenarten haben.

Was muss geändert werden?

MOSER: Der Bund führt ein neues Haushaltsrecht ein. Es sollte auch von Ländern und Gemeinden übernommen werden.

Was sieht dieses neue Haushaltsrecht vor?

MOSER: Wir brauchen ein Rechnungswesen, das eine Finanzierungsrechnung, eine Ergebnisrechnung und eine Vermögensrechnung aufweist. Es müssen die wahren wirtschaftlichen Verhältnisse dargestellt werden. Wenn ein Geschäft an Wert verliert, muss das wertberichtigt werden. Niederösterreich hat einen Fonds errichtet, weil man damit die Chance gehabt hat, Verluste, die entstanden sind, nicht ausweisen zu müssen.

Sollen Länder und Gemeinden zur Übernahme des neues Rechnungswesen verpflichtend werden.

MOSER: Es ist ein absolutes Muss. Nur so können Landtage und Gemeinderäte ihre Budgethoheit überhaupt ausüben. Und Politiker sollten allein schon aus Selbstschutz an voller Übersicht interessiert sein.