Das haben Ägyptens Oberste Verfassungshüter noch nie erlebt. Eigentlich wollten die 19 Herren in ihren Roben am Sonntag über die Verfassungsgebende Versammlung und das Oberhaus zu Gericht sitzen und beide Kammern ein für allemal nach Hause schicken. Stattdessen mussten sie selber vorzeitig heimkehren, nachdem ihnen eine aufgepeitschte Menge vor dem Verfassungsgericht Prügel androht hatte.

Seit Samstagabend belagern mehrere tausend Anhänger von Mohammed Mursi den wuchtigen Bau, den sie als Nervenzentrum der alten Kräfte des Mubarak-Regimes ansehen. Ägyptens Chefrichter Maher El-Beheiry ließ dann auch wutschnaubend erklären, das Verfassungsgericht trete in einen unbefristeten Streik und sprach von einem "schwarzen Tag für die Justiz". "Ägypten tanzt auf dem Vulkan" und "Eine Nation, zwei Völker" titelten Kairos Zeitungen. Weder Islamisten noch Säkulare machen Anstalten, in dem Machtpoker nachzugeben.

Muslimbrüder und Salafisten ließen am Samstag ihre Muskeln spielen und trumpften auf mit ihrer wohl größten Massendemonstration in der Geschichte Ägyptens. "Das Volk ist für den islamischen Staat, ob die Säkularen wollen oder nicht", rief die Menge.