Die Beurteilung von Sexualdelikten variiert stark von Land zu Land, von Kultur zu Kultur, wie unser Überblick zeigt. In Saudi-Arabien kann Vergewaltigung sogar mit dem Tod bestraft werden. In Österreich lag die Mindeststrafe bisher bei sechs Monaten, die Höchststrafe bei 10 Jahren. Der Gesetzesentwurf, den Justizministerin Beatrix Karl demnächst in Begutachtung schicken will, sieht eine Mindeststrafe von einem Jahr vor. Stark erhöht wird die Strafandrohung bei qualifizierter geschlechtlicher Nötigung: statt ein bis zehn Jahre, müssen die Täter künftig fünf bis 15 Jahre Haft befürchten.

Völlig unlogisch war bisher die Strafandrohung bei sexuellem Missbrauch einer wehrlosen oder psychisch beeinträchtigten Person. Besonders Behindertenverbände wehrten sich dagegen, dass dieses Delikt leichter bestraft wird. Die Novelle sieht die Angleichung vor.

Die geplanten Änderungen im Sexualstrafrecht sind teils Anpassungen an EU-Vorgaben, teils beheben sie Widersprüche im System. Viel weiter will Ministerin Karl im kommenden Jahr gehen. Eine kleine Gruppe von Experten, Richtern, Staatsanwälten, Professoren und Rechtsanwälten wird das ganze Strafgesetzbuch durchforsten. Besonderes Augenmerk sollen die Experten auf die oft beklagte Unverhältnismäßigkeit der Strafen für Eigentumsdelikte und für Delikte gegen Leib und Leben legen.

"Bei vielen Menschen herrscht das Gefühl, dass Vermögensdelikte mit vergleichsweise härteren Strafen bedroht werden als Delikte gegen Leib und Leben", sagt die Ministerin. Daher will Karl den 40. Jahrestag des Inkrafttretens des Strafgesetzbuchs für eine Generalüberholung nützen. Mitte 2014 sollen wichtige Anpassungen bereits beschlossen sein.

Deutschland

Zwei bis 15 Jahre Haft: Im deutschen Strafrecht wurden 1997 die bis dahin getrennten Tatbestände der Vergewaltigung und der sexuellen Nötigung (allgemein sexuelle Handlungen gegen den Willen des Opfers) unter einem einzigen Tatbestand zusammengefasst und inhaltlich erweitert. Seitdem ist auch die Vergewaltigung in der Ehe strafbar. Der Strafrahmen sieht Freiheitsstrafen von mindestens zwei und höchstens 15 Jahren vor. Die Verjährungsfrist beträgt 20 Jahre. Bei minderjährigen Opfern beginnt diese Frist erst mit der erlangten Volljährigkeit jener zu laufen.

Italien

Das große Schweigen: Das italienische Strafrecht droht Urhebern von Vergewaltigung und sexuellem Missbrauch mit Haftstrafen von fünf bis zwölf Jahren. Der oberste Kassationshof weicht zunehmend den Unterschied zwischen Vergewaltigung und Formen sexuellen Missbrauchs auf. Laut Umfragen verzichten 96 Prozent der Opfer auf eine Anzeige. Angst vor einer Verurteilung durch das eigene Umfeld, Furcht, für unglaubwürdig gehalten zu werden sowie mangelndes Vertrauen in die Justizbehörden geben die Betroffenen als Gründe an.

Großbritannien

Sexuelle Übergriffe werden ernster genommen: In Großbritannien wird Vergewaltigung und sexueller Missbrauch in den letzten Jahren unter dem Druck von Sozialverbänden ernster genommen. Auch sexuelle Übergriffe am Arbeitsplatz und Mobbing werden strenger geahndet. Dazu gehört auch die Empörung über Pädophilie und Kindesmissbrauch, die mit dem Skandal um den BBC-Moderator Jim Saville aufkam. Über 400 Opfer, von denen viele jahrelang geschwiegen hatten, weil sie sich nicht ernst genommen fühlten, haben sich bei der Polizei gemeldet. Das wird auch in steigenden Strafmaßen deutlich. 2010 betrug das durchschnittliche Strafmaß für Vergewaltigung acht Jahre Haft und liegt damit höher als die Durchschnittsstrafe für fahrlässige Tötung.

Schweden

Europaweit das strengste Sexualstrafrecht: Die Vergewaltigungsvorwürfe gegen Wikileaks-Gründer Julian Assange rückten das Sexualstrafrecht Schwedens ins Rampenlicht. Es gilt als das strengste Europas. Seit 2005 ist auch dann von einer Vergewaltigung und nicht mehr von einer sexuellen Belästigung auszugehen, wenn ein Opfer nicht Nein sagen kann, weil es etwa bewusstlos, betrunken oder eingeschlafen ist. Schwedens Justiz hat gegen Assange Ermittlungen aufgenommen, weil er eine Frau, die ihn beherbergte, im Schlaf überrascht und ohne Kondom mit ihr geschlafen haben soll. Das Gesetz kennt drei Stufen von Vergewaltigung, auf das Delikt stehen zwischen vier und zehn Jahre Haft. In Schweden kommen auf 100.000 Einwohner 53 Anzeigen wegen Vergewaltigung.

Vereinigte Staaten

Besonders harte Strafen bei Missbrauch Minderjähriger: Die Toleranzschwelle ist niedrig, die Gerichte zeigen wenig Nachsicht: Sexualstraftäter in den USA müssen mit drakonischen Strafen rechnen. Besonders hart geahndet wird sexueller Missbrauch von Minderjährigen oder Schutzbefohlenen. Jüngstes Beispiel: Der frühere Footballtrainer Jerry Sandusky wurde zu einer Gefängnisstrafe von mindestens 30 und maximal 60 Jahren verurteilt. Das Gericht sah es als erwiesen an, dass Sandusky mehrere Dutzend Kinder und Jugendliche in Pennsylvania sexuell missbraucht hatte. Ein landesweites Gesetz, das Vergewaltigung oder andere Sexualverbrechen unter Strafe stellt, existiert nicht. Die 50 Bundesstaaten setzen jeweils ihr eigenes Strafmaß fest. Die Mindeststrafe für sexuelle Übergriffe beträgt in den meisten US-Staaten ein Jahr. Je nach Schwere des Verbrechens kann das Urteil auch lebenslänglich lauten. In Florida kann die Todesstrafe für besonders grausamen sexuellen Missbrauch von Kindern verhängt werden.

Frankreich

Der Abstieg Strauss-Kahns hat Frauen ermutigt: Frankreich steht im Ruch des Machismos. Doch auf sexuelle Übergriffe stehen dort strenge Strafen. Ein Vergewaltiger kommt bis zu 15, in besonders schweren Fällen bis zu 20 Jahre hinter Gitter. Sexuelle Übergriffe gelten in Frankreich heute nicht mehr als Kavaliersdelikte. Ein gesellschaftlicher Sinneswandel greift Platz. Dass der scheinbar allmächtige frühere Chef des Internationalen Währungsfonds, Dominique Strauss-Kahn, über Sexualdelikte gestolpert und tief gefallen ist, hat Frankreichs Frauen ermutigt, sich entschlossener zur Wehr zu setzen. Dennoch: Nur jede zehnte Frau, die im vergangenen Jahr vergewaltigt wurde, hat ihrem Peiniger den Prozess gemacht.

Saudi-Arabien

Todesstrafe und zwangsverheiratete Kinder: Saudi-Arabien hat vordergründig die strengste Gesetzgebung: Auf Vergewaltigung steht die Todesstrafe. Entscheidend ist der Familienstand des Täters: War dieser zum Zeitpunkt der Vergewaltigung verheiratet, wird er laut Gesetz hingerichtet. War er zum Tatzeitpunkt ledig, wird er mit einem oder mehreren Jahren Haft sowie 100 Peitschenhieben bestraft. Dennoch sind Frauen der Gewalt schutzlos ausgeliefert. Ein Vergewaltigungsopfer kann mit Haft oder Peitschenhieben bestraft werden, wenn es jemanden angeblich zu Unrecht der Tat bezichtigt oder sich mit fremden Männern getroffen hat. Zudem können Mädchen bereits im Alter von zehn Jahren zwangsverheiratet werden.