In Zagreb bereiteten mehr als Zehntausend Kroaten den immer noch als Kriegshelden verehrten Generälen Ante Gotovina und Mladen Markac einen begeisterten Empfang. Gefühlstrunken feierten die Massen auf dem Hauptplatz der kroatischen Hauptstadt ein Volksfest, nachdem sie dort Stunden zuvor die Urteilsverkündigung für die beiden Ex-Befehlshaber in Den Haag in einer Art Public Viewing gemeinsam verfolgt hatten. Ein Berufungsgericht des Haager Tribunals hatte Gotovina und Markac vom Vorwurf freigesprochen, bei der Befreiung des kroatischen Territoriums von serbischer Besatzung 1995 eine planmäßige Vertreibung von bis zu 200.000 Zivilisten betrieben zu haben.

Damit sind die beiden Kroaten freie Männer. Konkret wurden die Generäle für unschuldig befunden, an einem "gemeinsamen kriminellen Unternehmen" teilgenommen zu haben, um durch übermäßigen Artilleriebeschuss die serbische Bevölkerung zu vertreiben. Damit fiel die Beweiswürdigung der Berufungskammer völlig anders aus als des Gerichtshofs erster Instanz. Dieser hatte beide im April 2011 schuldig befunden und zu 24 beziehungsweise 18 Jahren Haft verurteilt. Konkret wurden ihnen der Tod von 324 Soldaten und Zivilisten vorgeworfen, die sich bereits ergeben hatten. Hinzu kam der Vorwurf der Vertreibung von 90.000 Serben aus der Krajina.

Nicht völkerrechtswidrig

Im Gegensatz zur Erstinstanz verwarf die Kammer auch die Bewertung, wonach der Beschuss mit Artillerie im Rahmen der Operation Oluja (Sturm) kriegsvölkerrechtswidrig gewesen sei, weil die Granaten 200 Meter von legitimen militärischen Zielen eingeschlagen seien. Diese "Beweisführung" hatte enorme Schwächen, weil sie militärisch gesehen realitätsfremd war.

Spiegelverkehrt fielen die Reaktion auf das Urteil in Kroatien und Serbien aus. Während die Kroaten und ihre Politiker auf die Verurteilung 2011 mit Wut, Entsetzen und Unverständnis reagiert hatten, herrschte nun Zufriedenheit, gilt doch Gotovina vielen als Volksheld. "Kroatien ist unschuldig", "Der Sieg der Wahrheit" - lauteten nur zwei der Jubelmeldungen kroatischer Medien. Präsident Ivo Josipovic sprach vom "gerechten Urteil", das bestätigt habe, dass Kroatien einen gerechten Krieg geführt habe. Zurückhaltender reagierte Premier Moran Milanovic. Der Freispruch bedeute nicht, dass es keine Fehler gegeben habe, "Kroatien muss die Schuld der Gerechtigkeit begleichen", sagte Milanovic. Groß ist nun die Gefahr, dass die Vergangenheitsbewältigung weitgehend ad acta gelegt wird, denn in diesem Verteidigungskrieg gab es auch Verbrechen auf kroatischer Seite.

Gegensätzlich waren die Reaktionen in Serbien, das die Verurteilung in erster Instanz mit Befriedigung aufgenommen hatte. Präsident Tomislav Nikolic bezeichnete den Freispruch als politisches und nicht rechtliches Urteil, das nicht zur "Stabilisierung in der Region beitragen und alte Wunden wieder aufreißen" werde. Der für die Zusammenarbeit mit dem Tribunal zuständige Minister Rasim Ljajic, ein gebürtiger Bosniake, sagte, das "Tribunal habe jede Glaubwürdigkeit" verloren. Die Bewertung hat vieles für sich - es ist nicht das erste Mal, dass sich Urteile des Tribunals so drastisch unterscheiden.

Die EU nahm den Freispruch "zur Kenntnis", betonte die Unterstützung für das Tribunal und die Hoffnung, dass Kroatien, das 2013 der EU beitritt, im Geiste von Toleranz und Aussöhnung in die Zukunft schauen werde. Gotovina war seit 2001 auf der Flucht. Die EU legte deswegen den Beginn der Beitrittsverhandlungen auf Eis, die erst begannen, nachdem Gotovina 2005 in Spanien verhaftet worden war.