Als der Europäischen Union vor ein paar Wochen der Friedensnobelpreis verliehen wurde, da schüttelten vor allem auf "der Insel" viele den Kopf. "Warum?" In den Augen vieler Briten ist die EU nichts als ein bürokratisches Monster, das unentwegt Geld verschlingt - vor allem britisches.

Die Downing Street unter dem konservativen Premierminister David Cameron hat hinsichtlich Europa keinerlei politische oder gesellschaftliche Visionen. London bemisst den Wert der Mitgliedschaft im Club der 27 praktisch ausschließlich an der Frage wirtschaftlicher Überlegungen.

Und Cameron ist sich sicher: "Die Mitgliedschaft in der EU bringt Vorteile für unser Land." Der Zugang zum europäischen Binnenmarkt sei unersetzlich, wiederholt er gebetsmühlenartig. Erst im vergangenen Jahr wurden die Exporte in die EU und vor allem in die Eurozone noch einmal deutlich gesteigert.

Die Statistiken und auch Wirtschaftsexperten geben Cameron recht. Aber die euroskeptischen Hardliner in seiner eigenen Partei bekommt er damit nicht in den Griff. Sie führen eher die Nettozahlungen von London nach Brüssel in der Höhe von 5,57 Milliarden Euro im vergangenen Jahr an - auch wenn Großbritannien gemessen am Pro-Kopf-Aufkommen nicht zu den größten Nettozahlern in Europa gehört.

Abfuhr und Ultimatum für Cameron

Bei jeder Gelegenheit treiben sie ihren eigenen Premier in der Europafrage vor sich her und lassen ihn in immer neue Fallen tappen. Das politische London fragte sich am Donnerstag einhellig: Geht es hier wirklich um Europa, oder handelt es sich vielmehr um eine innerparteiliche Revolte gegen einen nicht mehr geliebten Parteiführer?

Am Mittwochabend erteilten 53 Abgeordnete vom rechten Flügel der Torys ihrem Premier die bisher deutlichste Abfuhr dieser Art, verbunden mit einem klaren Auftrag: Wenn er am 23. November vom EU-Gipfel aus Brüssel nach Hause kommt, dann möge er gefälligst reale Kürzungen in der mittelfristigen Finanzplanung der EU ausgehandelt haben. Die EU solle absolut weniger Geld ausgeben als bisher - schließlich müsse das krisengeplagte Inselvolk ja auch sparen.

Der Auftrag gleicht einer Mission Impossible. Die EU-Kommission und einige Mitgliedsstaaten wollen die Finanzplanungen für die Jahre 2014 bis 2020 um fünf Prozent ausweiten statt kürzen. Cameron könnte sein Veto einlegen und damit eine Verhandlungslösung in Brüssel verhindern. Doch damit hätte er - wie bereits bei seinem Alleingang vor einem Jahr in Sachen Fiskalpakt - nichts gewonnen: Es würden einfach die alten Budgetregeln gelten, die für die Briten noch kostspieliger wären.

Ausgabenkürzungen "hoffnungslos"

Cameron weiß, dass seine eigene Verhandlungslinie, eine Budgetausweitung maximal auf Inflationsniveau, das höchste der Gefühle ist, das er in Brüssel vielleicht heraushandeln kann. Auch sein europafreundlicher Vizepremier Nick Clegg bezeichnet eine Realkürzung der EU-Ausgaben als "hoffnungslos". Cameron muss sich jetzt auf den ungeliebten Weg über den Ärmelkanal machen und Weggefährten suchen.

Seine parteiinternen Probleme hat er damit längst nicht gelöst. Der rechte Tory-Flügel hatte seinen eigenen Regierungschef bereits bei parlamentarischen Voten zu einem EU-Referendum und zur Reform des Oberhauses in Abstimmungsniederlagen gestürzt. Die Labour-Opposition feixt: Cameron habe seine eigenen Leute nicht im Griff. "Im Ausland ist er schwach und zu Hause auch", spottete Oppositionsführer Ed Miliband.

Finanzminister George Osborne orakelt: "Die eigentliche Abstimmung kommt erst noch." Dann, wenn Cameron aus Brüssel zurück ist und sein Verhandlungsergebnis dem Parlament vorlegen muss.