Juristisches Tauziehen im Fall Pussy Riot: Ein Moskauer Gericht hat überraschend das Berufungsverfahren gegen drei Frauen der Polit-Punkband Pussy Riot auf den 10. Oktober verschoben. Die Richterin gab einem Antrag der inhaftierten Jekaterina Samuzewitsch statt, ihren Anwalt wegen "starker Differenzen" auszutauschen. Ein Justizsprecher warf der Musikerin eine "Verzögerungstaktik" vor. Vor dem Gerichtsgebäude nahm die Polizei am Montag mehrere Demonstranten fest.

Die drei Künstlerinnen waren für ein Protestgebet gegen Präsident Wladimir Putin in einer Kirche zu je zwei Jahren Straflager verurteilt worden. Die Frauen sitzen seit März hinter Gittern. Bürgerrechtler kritisieren das Vorgehen der Justiz als politisch motiviert. Das hatte international Empörung ausgelöst. Die Anwälte hoffen auf Freispruch - entweder in Moskau oder vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte.

Konflikt mit Verteidigung

Ihre Position stimme nicht mit der ihrer Verteidiger überein, sagte Samuzewitsch im Gerichtssaal. Ihre beiden Mitangeklagten, die wie die 30-Jährige erneut in einem Glaskäfig saßen, sowie die Juristen der Frauen zeigten sich überrascht. Einer der Gründe für das Zerwürfnis sei die "undurchsichtige Verwendung von Spenden für Pussy Riot", berichtete die Zeitung "Nowaja Gaseta". Zudem sollen die Juristen Briefe unterschlagen haben.

Dagegen sprach der Anwalt der Nebenkläger von einer "abgekarteten Sache". Er fürchte, dass am 10. Oktober die beiden anderen Frauen ihre Verteidiger entlassen würden, um den Prozess in die Länge zu ziehen, sagte Alexej Taratuchin.

Nach der Vertagung wurden Nadeschda Tolokonnikowa (22) und Maria Aljochina (24) - beide Mütter kleiner Kinder - sowie Samuzewitsch (30) zurück ins Untersuchungsgefängnis gebracht. "Keine Sorge, alles normal", sagten sie einer "Nowaja Gaseta"-Korrespondentin. Das Gericht muss entscheiden, ob die Verurteilung "aus tiefstem Hass gegenüber Gläubigen", so der Richterspruch vom 17. August, rechtmäßig ist.

Vor dem Gerichtsgebäude nahm die Polizei mehrere Menschen fest, die mit aufblasbaren Puppen eine schärfere Verurteilung der drei Frauen gefordert hatten. Sie kritisierten die internationale Unterstützung für Pussy Riot als "Politschwindel". Dagegen zeigten zahlreiche andere Demonstranten ihre Sympathie für die Musikerinnen. Sie sangen kremlkritische Lieder der Punkband, während in der Nähe wiederum eine Gruppe orthodoxer Christen Gebete sprach. Die Polizei sicherte das Gebäude im Stadtzentrum mit einem Großaufgebot.

Aufforderung zur Buse

Vertreter der russisch-orthodoxen Kirche hatten die drei Frauen vor Prozessbeginn zur öffentlichen Buße aufgefordert. Das sei "gut für ihr Seelenheil", sagte Wladimir Legoida vom Moskauer Patriarchat. "Falls mit Buße ein Schuldeingeständnis gemeint ist, so ist das sehr unwahrscheinlich", sagte Verteidiger Mark Fejgin. Die Frauen hätten stets klar gemacht, dass sie ihr Punkgebet gegen Putin als politische Performance sehen. Bei Gläubigen, die sich beleidigt fühlten, hätten sie sich entschuldigt.

"Es ist falsch, dass die österreichische Regierung zu schweren Menschenrechtsverletzungen in Russland schweigt. Meinungsfreiheit ist eines der wichtigsten Grundrechte. Es reicht nicht, auf die EU zu verweisen, auch unsere Bundesregierung ist gefordert", meinten die außen- und entwicklungspolitischen Sprecherinnen der Grünen, Alev Korun und Judith Schwentner, in einer Aussendung am Montag. "Wirtschaftsbeziehungen sind kein Persilschein für Menschenrechtsverletzungen."

"Das neue Gesetz (Russlands, Anm.) zur Verletzung religiöser Gefühle ist nur ein weiterer Markstein in Richtung Autokratie. Gegen öffentliche Proteste wird hart vorgegangen, die Strafgebühr für Protest ohne vorherige Genehmigung auf das 150-fache erhöht, es bestehen Vorwürfe der Wahlfälschung, Medien werden eingeschüchtert, Paraden für Homosexuellenrechte für 100 Jahre verboten, RegimekritikerInnen verhaftet und Menschenrechtsorganisationen die finanzielle Unterstützung entzogen. Hier als Regierung zu schweigen, bedeutet, diese Entwicklungen zu dulden", meinten Korun und Schwentner.

Unterdessen hat eine geplante Debatte über die politische Entwicklung in Russland im Europarat für Unruhe gesorgt. Er bedaure die Absage des Vorsitzenden der Staatsduma, Sergej Naryschkin, an der Sitzung teilzunehmen, teilte der Präsident der Parlamentarischen Versammlung, Jean-Claude Mignon, am Montag mit. In einem Bericht von zwei Abgeordneten werden Russland Einschränkungen bürgerlicher Freiheiten vorgeworfen. Angemahnt werden Reformen der Justiz. Kritisiert wird unter anderem das Urteil im Fall der Polit-Punkband Pussy Riot. Die Berichterstatter bezeichnen die Verurteilung zu Lagerhaft als "eindeutig unverhältnismäßig".