Die Parlamentswahl in Weißrussland ist nach Einschätzung der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) weder frei noch unparteiisch verlaufen. Auch die weißrussische Opposition kritisierte die Parlamentswahl scharf und sprach von Manipulation. Von den 110 zu vergebenden Mandaten gingen nur vier an Politiker, die nicht dem größten regierungstreuen Lager angehören.

Wo der Feind steht, ist für Weißrusslands Opposition schon seit langem klar: Der autoritäre Präsident Alexander Lukaschenko soll endlich weg von der Spitze der Ex-Sowjetrepublik. Doch auf das Wie können sich die Gegner von "Europas letztem Diktator", der die Macht seit 18 Jahren fest in den Händen hält, nicht einigen. Die einen kämpfen mit Boykott der Parlamentswahl, die anderen wollen über das Internet Gegner mobilisieren. Wieder andere flüchten ins Exil. Aber getrennt zu marschieren bedeute eben auch, gemeinsam zu verlieren, kritisieren Blogger.

Interne Reibereien

Oft hat es den Anschein, als sei es innerhalb der Opposition wichtiger, sich gegen konkurrierende Gruppen zu behaupten als gegen die Staatsmacht. Doch jetzt soll alles anders werden. Traten bei der Präsidentenwahl 2010 noch neun Gegenkandidaten gegen Lukaschenko an, plädieren nun erste Oppositionelle mit Blick auf die Abstimmung 2015 für einen gemeinsamen Herausforderer.

"Es reicht mit den gegenseitigen Schuldzuweisungen und Beleidigungen", sagt der Aktivist Alexander Feduta von der Bewegung Sag die Wahrheit. "Sonst sind alle unsere Versuche, irgendetwas in diesem Land zu ändern, zum Scheitern verurteilt." Für viele Regimegegner steht fest: Der kurzfristige Wahlboykott war für die beiden größten Oppositionsparteien ein Schuss in den Ofen.

Erst sammelten mutige Lukaschenko-Gegner monatelang Unterschriften, um Gegenkandidaten zu registrieren. Dann aber zogen die Parteien drei Tage vor der Abstimmung diese Kandidaten wieder zurück. Viele regierungskritische Weißrussen fühlen sich durch das Hin und Her von der Opposition getäuscht.

Lukaschenko reibt sich die Hände

Der Riss durch die Opposition spielt vor allem einem in die Hände: Diktator Lukaschenko kann sich seiner Macht sicher sein. Die "Fünfte Kolonne" fahre doch nach Deutschland zum Betteln, höhnt der Präsident über seine Gegner. In den Staatsmedien, die für viele Menschen die einzige Informationsquelle sind, ist Lukaschenko allgegenwärtig. Die Opposition kommt nicht vor - oder wird verspottet. So verschwiegen Fernsehsender und Zeitungen vor der Abstimmung den Boykottaufruf, um dann nach der Wahl genüsslich über den Schlingerkurs zu berichten.

Der Westen kann die Opposition kaum unterstützen. Dass einzelne Wahlbeobachter wie die deutsche Bundestagsabgeordnete Marieluise Beck (Grüne) oder Journalisten wie die ZDF-Korrespondentin Anne Gellinek nicht zur Abstimmung reisen durften, werten Beobachter als Machtdemonstration. So bleibt der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) nur, die Wahl einmal mehr als unfair zu kritisieren. Doch mehr als Sanktionen sowie Reiseverbote für den 58-jährigen Schnauzbartträger und seine Entourage können sie nicht durchsetzen.

Gehaltserhöhung für Getreue

Lukaschenko aber kann nach der schweren Wirtschaftskrise, die die Proteststimmung im Land im vergangenen Jahr noch schürte, auf bescheidene wirtschaftliche Erfolge verweisen. So überstiegen erstmals seit Jahren die weißrussischen Exporte die Importe. Einen Teil der Milliardenkredite aus Moskau und Peking, etwa für das erste Atomkraftwerk, investiert der Staatschef bereits in seine politische Zukunft: Staatsbeamten, besonders bei Polizei und Armee, erhöhte er unlängst das Gehalt.

Und auch außenpolitisch ist "Batka" (Väterchen), wie ihn seine Untertanen nennen sollen, nicht isoliert. Der "große Bruder" Russland hält weiter seine schützende Hand über Lukaschenko, etwa in Form von extrem günstigen Energielieferungen. Die Wahl sei demokratisch und frei verlaufen, urteilten Beobachter der von Moskau dominierten Gemeinschaft Unabhängiger Staaten (GUS).