Laut geltendem österreichischen Arbeitsrecht schulden Arbeitnehmer ihrem Dienstgeber bloßes Bemühen, Werkvertragsnehmer hingegen Erfolg. Umgelegt auf die heimische Spitzenpolitik könnte man formulieren, dass bei ÖVP-Obmann Michael Spindelegger das Bemühen durchaus vorhanden ist, der ganz große Erfolg dürfte sich bei den nächsten Nationalratswahlen im Jahr 2013 aber dennoch nicht einstellen. Beim Sommergespräch mit Armin Wolf gab sich der sonst so unaufgeregte Vizekanzler phasenweise durchaus angriffig – Wolf sprach von "Aufgezwirbeltheit" – und stellte trotz miserabler Umfragewerte für die Volkspartei selbstbewusst den Kanzleranspruch, um im nächsten Jahr nicht völlig vom Duell Faymann vs. Strache überrollt und links liegen gelassen zu werden. Der eigenen Partei in ihrem derzeitigen Zustand gab der Vizekanzler übrigens die Schulnote 1-2, sehr zum Erstaunen des Interviewers.

Wie Wolf erwähnte, gilt Spindelegger den potenziellen Wählern als intelligentester aller österreichischen Parteichefs, aber wenig durchsetzungsstark und mit dem politischen Manko des geringen Charismas versehen. "Ich bin, wie ich bin. Verlässlich und solide, aber nicht brav und zu angepasst. Wenn ein Problem auf mich zukommt, reagiere ich anders als andere, ich bin derjenige der ganz langweilig und fad sein Hirn einschaltet. Die Bürger wollen keinen Showman", erklärte Spindelegger zu seinem Image.

"Er war immer sehr strebsam"

Der sehr gute Beitrag von "Report"-Redakteur Klaus Dutzler brachte viel Erhellendes zur Person Michael S. ans Tageslicht: "Er war immer sehr strebsam", "Er war nicht auffällig", "Er war kein Womanizer". Erich Spindelegger, sein Vater und ebenfalls zeitlebens politisch engagiert, erinnert sich: "Ich habe ihm immer gesagt, er soll achtgeben, was er sagt, aufpassen, dass er nicht aneckt". "Er war ein bisserl für sich" beschrieb der Kabarettist Andreas Steppan den einstigen Schulkollegen. Vor dem Start seiner schwarzen Bilderbuch-Karriere leistete Spindelegger seinen Dienst als Einjährig-Freiwilliger des österreichischen Bundesheeres. "Er war ein braver, sehr ordentlicher Soldat", so sein einstiger Ausbildner, heute im ÖVP-nahen Raiffeisen-Konzern an höchster Position tätig. Man ist fast geneigt, dem Wort "Soldat" das Wort "Partei" voranzustellen.

Spindelegger gilt als persönlich integer, als ruhiger, sachorientierter Arbeiter. Nur einmal, in den früheren 1990ern, wurde er von einer Korruptionsaffäre gestreift. Populistische Ausfälle sind ihm weitgehend fremd, von ungewohnten und angesichts seiner Position als Außenminister unpassenden Attacken gegen die Türkei (EU-Beitritt) und Griechenland (Rauswurf aus der Eurozone) abgesehen. Gesellschaftspolitisch ist Spindelegger wertkonservativ geprägt, auch im Sommergespräch setzte er entsprechende "Duftmarken": Pro Wehrpflicht, pro Gymnasium. Einen muslimischen ÖVP-Chef könne er sich zumindest derzeit nicht vorstellen, außerdem sei er nun ohnehin zwei Amtszeiten lang Bundeskanzler, so der jetzige Vize.

Der Gesamteindruck von Spindelegger ist in sich durchaus stimmig, doch ob das ausreicht, abseits des eigenen "Polit-Biotops" Wählerstimmen zu fischen, muss bezweifelt werden. Wertewahlkämpfe funktionieren nur selten, auch nicht unbedingt in Krisenzeiten, in denen Leadership und Pragmatismus gefragt sind. Sollte im nächsten Jahr Populismus pur die politische Debatte dominieren, von welchen Seiten auch immer und angefeuert vom Boulevard, werden Sachkompetenz und Seriösität allein keine wahlentscheidenden "Assets" sein: Das wird auch der brave Politiker Spindelegger leidvoll zur Kenntnis nehmen müssen – sofern er dann noch Parteiobmann und Spitzenkandidat ist.