Auf der Rückreise von Florida nach Washington ins Zentrum der Macht ließ sich einer aus dem Wahlkampfteam der US-Republikaner im Flugzeug schon voller Vorfreude vernehmen. "Der Parteitag wird Mitt Romney einen Schub geben", sagte der Mann. Tatsächlich lag Romney am Donnerstag nach seiner Rede zwei Prozentpunkte vorne. Doch der Schub war von äußerst kurzer Dauer: In der jüngsten Umfrage nach dem Parteikonvent in Tampa übernahm Barack Obama bereits wieder die Führung. Mit 44 zu 43 Prozent blieb der Abstand aber äußerst knapp. Schlecht für die Republikaner, denn jetzt steht bereits der Parteitag der Demokraten an, zu dem sich die Obama-Anhänger von Montag bis Donnerstag in Charlotte im US-Bundesstaat North Carolina versammeln. Und diese Massenversammlung dürfte wiederum Obama einen Schub verschaffen.

Kopf-an-Kopf-Rennen

Doch das dürfte - aller Voraussicht nach - nichts daran ändern, dass der Präsidentschaftswahlkampf 2012 auch nach den gewaltigen PR-Shows von Tampa und Charlotte ein Kopf-an-Kopf-Rennen bleiben wird - wobei alle Umfrageergebnisse aber zumeist innerhalb einer Fehlermarge liegen, die klare Prognosen nicht möglich macht. Viele Kommentatoren in den USA vermuten deshalb, dass sich ein klarer Favorit ohnehin erst nach den drei Fernsehdebatten herausschälen wird. Das erste TV-Duell zwischen Obama und Romney ist für den 3. Oktober geplant.

Dennoch ist der Parteitag für Obama wichtig. Er soll am Donnerstagabend zur besten Sendezeit im Stadion von Charlotte sprechen, in dem normalerweise das Footballteam der Carolina Panthers vor bis zu 74.000 Zuschauern spielt. Noch ist unsicher, ob sich so viele Menschen auch zur Obama-Show einfinden werden. Aber die Absicht der demokratischen Wahlkämpfer ist klar: Der Schauplatz soll Erinnerungen an den Wahlkampf von 2008 hervorrufen. Damals gelang es mühelos, im Wahlkampf Stadien zu füllen.

Inhaltlich ist wenig Neues von der Rede Obamas in Charlotte zu erwarten. Das haben in den vergangenen Tagen mehrere Sprecher aus dem demokratischen Lager angedeutet. David Axelrod, einer der Chefberater des Wahlkämpfers Obama, sagte etwa: "Die Botschaft, die wir überbringen wollen, lautet: Dieser Präsident hat Erfahrung." Die Amerikanerinnen und Amerikaner könnten diesem Präsidenten vertrauen, dass er mit aller Kraft an der Genesung der Wirtschaft arbeite, um die Lage des Mittelstandes zu verbessern und den Menschen allgemein bessere Aussichten für die Zukunft zu verschaffen.

Zwölf Millionen Jobs - nur wie?

Eine Gemeinheit an die Adresse Mitt Romneys wollte sich Axelrod dann nicht verkneifen. Das Obama-Lager arbeite nicht mit Tricks und leeren Versprechungen wie Romney, sagte er. Es sei zwar noch viel zu machen, aber immerhin seien in Obamas Amtszeit nach Beginn der globalen Finanz- und Wirtschaftskrise im Herbst 2008 fast fünf Millionen Arbeitsplätze wieder entstanden. Während seiner Nominierungsrede in Tampa hatte der republikanische Bewerber Romney versprochen, er werde als Präsident zwölf Millionen Jobs schaffen. Details dazu, wie er das machen will, nannte Romney nicht.

Obamas größtes Problem sind die enttäuschten Hoffnungen in der US-Wählerschaft. Etwa 60 Prozent der Befragten sind Umfragen zufolge mit den Ergebnissen von Obamas Amtsführung unzufrieden. Man könne den Präsidenten einen europäischen Sozialisten schimpfen, der den American Dream in einen belgischen Albtraum verwandeln wolle, schrieb jetzt das Online-Magazin Politico. "Er wird seinen Kopf in den Nacken legen und Sie auslachen." Aber wer den Wählern erzähle, dass Obama heute nicht mehr der Mann ist, in den sich Amerika im Jahr 2008 verliebt hat, der löse Schauer des Schreckens im Hauptquartier der demokratischen Wahlkämpfer in Chicago aus.

Und genau auf diese Schwäche des Amtsinhabers haben die Republikaner in einer Art konzertierten Aktion während ihres Parteitags in Tampa immer wieder hingewiesen. Mitt Romney etwa sagte, der Präsident sei mit dem Versprechen gestartet, der ganzen Welt helfen zu wollen - und er sei gescheitert. Er dagegen wolle nur versprechen, den Amerikanern und ihren Familien zu helfen, sagte Mitt Romney. Und schickte generös hinterher, dass er sich ja selbst Obamas Erfolg gewünscht hätte, weil es ihm um Amerika gehe.

Fokus auf die Glaubwürdigkeit

Es zeichnete sich ab, dass die Republikaner in den gut zwei Monaten bis zur Wahl am 6. November das Problem der fehlenden Glaubwürdigkeit Obamas zu einem zentralen Projekt des Wahlkampfes machen werden. Obama weiß das. Und deswegen dürfte er in seiner Rede im Stadion von Charlotte auch versuchen, diese Glaubwürdigkeit wiederherzustellen und das dann einem Millionenpublikum zu verkaufen.

Immerhin hat Obama einen Vorteil gegenüber Romney. Er wird in Charlotte auf Anhänger treffen, die von ihm begeistert sind. Romney hatte es in Tampa dagegen nicht so schön getroffen. Die Republikaner einte nicht die Begeisterung für ihren Kandidaten. Sie einte, dass sie Obama ablehnen.