Am Ende hat sich dann noch ein prominenter Mensch gefunden, um dem Kandidaten zu helfen. Nicht George Clooney. Nein. Aber der hätte das sowieso nicht gemacht. Der steht sowieso auf der anderen Seite. Das ist ja bekannt. Aber es ist ein Prominenter, an den sich zumindest jeder noch erinnern kann. Ein echter amerikanischer Held sozusagen. Na ja, ein Heldendarsteller, um ehrlich zu sein. Ein Leinwandheld. Einer aus der guten alten Zeit, als die Männer aus Hollywood im Film noch echte Männer waren. Schweigsame Einzelgänger, die auf den Staat pfiffen und ihre Angelegenheiten selbst regelten. Mit Hilfe des Colts, wenn es nötig war.

Stundenlang haben die vielen Tausend Delegierten und Besucher des Parteitags der US-Republikaner in Tampa im Bundesstaat Florida sich jetzt schon Reden anhören müssen. Da wird es kurz vor zehn Uhr abends plötzlich dunkel im Tampa Bay Times Forum. und Musik aus dem Streifen "Zwei glorreiche Halunken" ist zu hören. Aus dem Dunkel tritt ein Mann.

Auftritt "Dirty Harry"

Es ist Clint Eastwood. "Dirty Harry" ist mittlerweile schon 82 Jahre alt, aber immer noch einigermaßen in Schuss, wenn man so sagen darf. Er stellt sich ans Rednerpult und zeigt auf einen leeren Stuhl, der daneben steht. Man solle sich mal vorstellen, dass Barack Obama auf dem Stuhl sitze, sagt Eastwood mit knarziger Stimme. Was sich die Tausenden von Delegierten und Besuchern in diesem Augenblick natürlich gerne vorstellen - Obama, das ist schließlich der, gegen den es hier geht.

Eastwood spricht gleichzeitig mit dem leeren Stuhl und mit dem Publikum. Er sagt, er sei ja schon immer der Meinung gewesen, dass Rechtsgelehrte nicht Präsidenten der USA werden sollten. Die diskutierten immer soviel und wägten immer ab. Von Zupacken nichts zu sehen. Und außerdem habe Barack Obama seine Versprechen nicht gehalten. Ihm seien ja wirklich die Tränen gekommen, als er erfahren habe, dass in Amerika 23 Millionen Menschen ohne Arbeit seien, sagt Eastwood. Eine Schande sei das.

Dann erzählt Eastwood, dass sich Obama doch ein kleineres Flugzeug als die Airforce One zulegen solle. Wo der Präsident doch ein Anhänger des Umweltschutzes sei. Und kurz darauf meint man, aus Eastwoods Worten herauszuhören, dass er Obama kritisiert, weil er das Gefangenenlager Guantanamo auf Kuba nicht zugesperrt habe wie versprochen. Aber das stimmt gar nicht. Eastwood meint das Gegenteil, er hat seinen Vortrag nur nicht geordnet. Dem Publikum im Saal ist es egal. Es lacht hell auf. Es klatscht, dass die Cowboy-Hüte wackeln, die hier viele tragen. Es geht ja schließlich gegen Obama.

Am Ende seines kurzen Auftrittes kommt der gealterte Heldenmime dann doch noch zum Punkt. Es sei die Zeit gekommen in Amerika, sagt Eastwood, "dass ein anderer die Probleme löst. Zeit für einen Businessmann."

So einer steht natürlich sofort bereit. Dafür hat die Parteitagsregie schon gesorgt. Es ist Mitt Romney, 65 Jahre alt, Multimillionär, Mormone - er will am 6. November Obama aus dem Weißen Haus in Washington vertreiben. Er läuft durch ein Spalier begeisterter Anhänger. Küsschen hier, Küsschen da. Händeschütteln hier, Händeschütteln da - bis er auf der Bühne ankommt, wo er die wichtigste Rede seines Leben halten soll.

Romney weiß, dass er jetzt liefern muss. Denn 30, vielleicht 40 Millionen Amerikaner sitzen in diesem Augenblick Zeitpunkt in ihren Wohnzimmern und schauen in den Fernseher. Sie wollen sehen, wie sich Romney verkauft. Es ist die beste Sendezeit. An der Westküste sind die Menschen schon von der Arbeit zurück, an der Ostküste sind sie noch nicht im Bett.

Romney will staatsmännisch wirken

Romney ist nicht auf Krawall gebürstet. Er gibt sich rhetorisch schon so, als säße er bereits im Weißen Haus. Er nimmt sich im Ton zurück. Er will staatsmännisch wirken. Er sagt, er hätte sich Obamas Erfolg gewünscht, weil er sich Amerikas Erfolg wünsche. Doch Obama habe seine Versprechen nicht gehalten. Deswegen gehe es den Amerikanern heute schlechter als zu dessen Amtsantritt Anfang des Jahres 2009. Romney sagt das alles in einem sanften Ton und lächelt dabei milde.

Obama, sagt Romney, habe Amerika enttäuscht, "weil er das Land nicht in die richtige Richtung geführt hat." Der Amtsinhaber habe übrigens auch keine Ahnung vom Business. Anders als er selbst natürlich, sagt der Businessmann Romney. Er hat schon vor vielen Jahren eine Private-Equity-Firma gegründet, die sich auf den Aufkauf und die Weiterentwicklung, wie es in der Branche heißt, von Unternehmen spezialisiert hat. Und Bain Capital besitze inzwischen die Büroartikel-Kette Staples, die Freizeitbekleidungsfirma Sports Authority und Steel Dynamics, einen der größten Stahlhersteller in den USA. "Das sind die wahren amerikanischen Erfolgsgeschichten", sagt Romney und lächelt wieder milde, als die Menge im Saal "USA, USA, USA" skandiert.

Die US-Gesellschaft ist gespalten. Wir sind die wahren Amerikaner, sagen die Republikaner in Tampa. Die Demokraten werden kommende Woche auf ihrem Parteitag in Charlotte in North Carolina antworten: Wir sind die wahren Amerikaner.

Der Jubel tut Romney sichtlich gut, auch wenn er weiß, dass alles, was an diesem Abend geschieht, eine gewaltige PR-Schau ist. Dass die Delegierten im Tampa Bay Times Forum im Prinzip nicht wichtig sind, weil sie ohnehin schon von ihm überzeugt sind. Er weiß, dass nur die Fernsehzuschauer zählen. Das sind die Wählerinnen und Wähler, die ihn am 6. November zum Erfolg oder zur Niederlage verhelfen. Doch deren Reaktionen sieht Romney nicht. Da tut der Jubel in Tampa gut.

Und da tut es auch gut, dass die Parteitagsplaner Ted Oparowski aus New Hampshire eingeflogen und auf die Bühne geschickt haben. Er ist inzwischen ein alter Mann. Er sagt, er werde es nie vergessen, wie sich Romney damals, 1979 sei es gewesen, um seinen Sohn David gekümmert habe. David sei 14 Jahre alt gewesen, als er schwer erkrankte, sagt Oparowski. Romney habe ihn im Krankenhaus besucht, Feuerwerk für ihn gekauft und kurz vor dem Tod Davids beim Aufsetzen des Testaments geholfen, das sich der Junge gewünscht habe. „Wie viele Menschen kennen Sie, die so etwas machen würden?“, fragt Ted Oparowski jetzt in den Saal hinein.

Und es muss Romney gut tun, dass Pam Finlayson aus Kalifornien nach Florida gekommen ist. Sie sei damals, 1982 sei es gewesen, frisch nach Massachusetts gekommen und in Romneys Kirchengemeinde eingetreten. Der "liebe Mitt" habe sich wie kein anderer um ihre Tochter Kate bemüht, ein Frühchen. Er sei in die Intensivstation gekommen und habe dafür gebetet, dass es Kate bald besser gehe, erzählt Pam Finlayson. Sie kann die Tränen nicht unterdrücken. Und vor anderthalb Jahren, als Kate gestorben sei, da hätten sich Romney und seine Frau Ann gemeldet und ihr Beileid ausgesprochen. "Es wird ein Segen für das Land sein, von so einem Menschen regiert zu werden", sagt Finlayson am Schluss.

Die Geschichten sind echt. Romneys gewiefte Wahlkämpfer haben solche Geschichten gesucht. Oparowski und Finlayson müssen dabei helfen, den Menschen Romney im Volk beliebt zu machen. Die Beliebtheitswerte des früheren Gouverneurs von Massachusetts liegen weit hinter denen von Amtsinhaber Obama zurück. Vielen Republikanern ist er suspekt, weil er Mormone ist. Und die Demokraten sagen sowieso seit Monaten, dass Romney ein herzloser, eiskalter Kapitalist sei, dem der Profit über alles gehe. Man solle da nur einmal an sein Vermögen von 250 Millionen Dollar denken, sagen sie. Und an den lächerlich kleinen Steuersatz, den er dafür bezahle, sagen sie.

Der Kandidat muss beliebt sein.

Der Kandidat muss beliebt sein. Das ist in den USA bei Präsidentschaftswahlen noch wichtiger als in Europa. Deswegen kommen Oparowski und Finlaysons Geschichten gerade zur rechten Zeit für Romney, der in der Öffentlichkeit bislang als unnahbar und verschlossen.

Doch da ist ja noch Grant Bennett. Er ist wie Romney ein Mormone. Er tritt auf die Bühne und soll die Zweifler im Saal und vor den Bildschirmen davon überzeugen, dass Mormonen auch Menschen sind. Romney, sagt Bennett, habe sich jede Woche 20 und mehr Stunden um die Menschen in seiner Kirchengemeinde bemüht. „Er hat für die Älteren Schnee geschaufelt und das Laub zusammen gekehrt“, sagt Bennett, der vor vielen Jahren von Romney das Ehrenamt eines örtlichen Pastors übernommen hat: „He led by example - er hat uns durch sein Vorbild angeführt. Er ist ein zutiefst guter Mensch.“ Einer, der überdies beruflich noch sehr viel Erfolg gehabt habe. Aber das ist nicht das Problem in den USA, wo der allgemeine Sozialneid schwächer ausgeprägt als in Europa.

Der Begriff Erfolg ist positiv besetzt in Amerika. Vorne auf der Bühne sagt jetzt auch Mitt Romney, dass das so sei. Doch wie denke der Präsident? Der sei gegen Erfolg, sagt Romney immer noch mit bemerkenswert sanfter Stimme. Unerhört sei das, meint Romney: "Wir in Amerika feiern den Erfolg, wir bitten nicht dafür um Entschuldigung." Die Menge dankt es ihm und skandiert: "USA, USA, USA."

Romney backt kleine Brötchen. Da habe doch Obama vor vier Jahren versprochen, dem ganzen Planeten Erde helfen zu wollen, sagt Romney. Daraus sei dann aber nichts geworden, wie alle wüssten: „Mein Versprechen ist: Ich werde Ihnen und Ihren Familien helfen."

Romneys Fünf-Punkte-Plan

Dazu hat sich Romney einen Fünf-Punkte-Plan ausgedacht, den er im Tampa kursorisch vorstellt, ohne auf entscheidende Einzelheiten wie seine Bezahlbarkeit einzugehen. Bis zum Jahr 2020 sollen die USA von Energie-Importen unabhängig werden. Die Schulen sollen besser werden, mehr Kinder sollen bessere Bildungschancen erhalten. Er werde - im Gegensatz zu Obama - neue Handelsabkommen mit dem Ausland schließen, um damit US-Exporte zu sichern, sagt Romney. Er werde das gewaltige Staatsdefizit verringern und langfristig den Haushalt ausgleichen. Er werde den Mittelstand fördern, damit dieser Arbeitsplätze schaffen können - ohne Steuererhöhungen, wie sie die andere Seite plane, und unter Beseitigung der vielen störenden Vorschriften, die Obama über das Land gebracht habe. Zwölf Millionen Arbeitsplätze werde das schaffen, verspricht Romney. Das hat zwar schon sein Vizepräsidentenkandidat Paul Ryan am Abend zuvor versprochen - aber doppelt versprochen hält besser.

Romneys Vorstellung vom Amerika der Zukunft ist ein Amerika, das nach den Regeln des Business geführt werden soll, um zum Erfolg zu kommen. Er zeichnet das Bild einer USA AG, die den Staatsbetrieb von Barack Obama übernehmen soll.

40 Minuten lang versucht Romney, diese Vorstellung unter das Fernsehvolk zu bringen. Er versucht sich, gut zu verkaufen. Ob er sich aber tatsächlich gut verkauft hat, wird sich erst am 6. November herausstellen.

Konkurrent Obama übrigens hat sein Urteil schon gefällt. Noch in der Nacht zu Freitag verschicken seine Mitarbeiter über Twitter ein Foto, das den Präsidenten auf einem Stuhl sitzend zeigt. Die Überschrift lautet: "Dieser Platz ist besetzt." Im Weißen Haus in Washington glauben sie offenbar, dass Romneys Auftritt nicht ganz so gut gelaufen ist. Und der von Clint Eastwood auch nicht.