KAIRO. Ahmed ist neun. Er hockt auf den blanken Fliesen und malt, zieht eine blaue Linie nach der anderen. Daneben ein Panzer, hinter dem fertigen Gitter zwei Menschen - Vater und Bruder.

Vor zwei Monaten wurden beide in Homs verhaftet, Ahmeds ältester Bruder war gerade 16 geworden. Mit ihnen sind 5000 Opfer eingesperrt im Gefängnis von Homs. Und Ahmed weiß, dass Häftlinge versucht haben, sich selbst zu befreien. Seitdem ist das ganze Areal von Panzern umstellt, die auf das Gebäude feuern.

Auch Aischas Vater sitzt hinter Gittern - in Damaskus. Die Zwölfjährige ist mit Oma und Opa nach Kairo geflohen. Einem Ringheft hat sie die Chronologie ihrer zerstörten Kindheit anvertraut. "Ich habe eine so schöne Zeit gehabt, jetzt ist alles kaputt", steht darin. "Egal, wo man hinkommt, es riecht nach Tod. Alle Kinder sind seit anderthalb Jahren nicht zur Schule gegangen. Die Erwachsenen sitzen um den Bildschirm. Immerzu läuft der Fernseher - Damaskus, Aleppo, Homs. Überall wird geschossen, wird gestorben und gekämpft.

Gebrochenes Herz

Vor sechs Wochen war das alles auch noch Alltag von Familie Hadad aus Homs. Ein verwackeltes Video ist das einzige Andenken an ihr einst mit Leben gefüllte Wohnhaus in Homs. In den drei Läden unten klaffen große Löcher, in den oberen Stockwerken baumeln geborstene Decken.

Von den 1,5 Million Einwohnern sind eine Million geflohen. 80 Prozent der Stadt sind zerstört. Nur mit ihren Kleidern am Leib entkamen die Hadads dem Inferno. Großvater brach unterwegs das Herz, er starb an einem Infarkt. Fünfzehn seiner Enkel tollen nun durch die Vier-Zimmer-Wohnung im Exil, der jüngste ein Jahr, die ältesten zwölf. Nachts schlafen alle 35 Bewohner auf ausgerollten Bastdecken. Von der Decke hängen Glühbirnen.

Kurz vor 19 Uhr ertönt der erlösende Ruf vom Dach der nahen Moschee. Für eine halbe Stunde kehrt Ruhe in die aufgewühlten Seelen der Familie Hadad ein. Auf am Boden ausgebreiteten Zeitungen steht das Essen zum Fastenbrechen. Fisch, Kartoffeln Salate und Linsensuppe, zu trinken Wasser und als Abschluss ein Glas mit Tamarindensaft wie zu Zeiten des Propheten. Der Ramadan und unser Glaube helfen uns, sagt die Familie. "Gott wird uns beistehen, denn wir haben niemandem etwas angetan."