Der erste islamistische Präsident Ägyptens sitzt bei der Verabschiedung der Absolventen der Technischen Militärakademie in Kairo an diesem heißen Julimorgen auf der Ehrentribüne. Doch so richtig entspannt sieht Mohammed Mursi nicht aus. Das mag daran liegen, dass er eingezwängt wird von zwei grimmig wirkenden Uniformierten, die rechts und links neben ihm sitzen. Mursis Bewacher sind der Vorsitzende des Obersten Militärrates, Feldmarschall Mohammed Hussein Tantawi, und sein Stellvertreter General Sami Annan. Die beiden Militärs denken sich ständig neue Methoden aus, um dem Zivilisten Mursi seinen Spaß am neuen Amt zu verderben. Doch die Militärs, die auf ihre Privilegien nicht verzichten wollen, sind nicht die einzigen Ägypter, die mit der Art und Weise, wie die Muslimbrüder nach der Macht greifen, nicht einverstanden sind. Liberale Politiker sagen, die Islamistenbewegung, aus der Mursi stammt, habe mindestens genauso wenig Respekt für den Rechtstaat wie die Militärs.

Parlament für illegitim erklärt

Woher kommt der Frust? Im Juni, als sich abzeichnete, dass Mursi die Stichwahl um das Amt des Präsidenten gewonnen hatte, monierte das Verfassungsgericht das Wahlgesetz. Die Richter, die noch aus der Ära des im vergangenen Jahr geschassten Präsidenten Hosni Mubarak stammten, erklärten das Parlament - in dem die Islamisten die Mehrheit haben - sei illegitim, da zahlreiche Parteipolitiker die für unabhängige Kandidaten reservierten Direktmandate eingeheimst hatten.

Das gab dem Militärrat, der nach dem Abgang von Mubarak die Macht übernommen hatte, die Möglichkeit das Parlament aufzulösen. Zwar machte Tantawi anschließend sein Versprechen wahr, die Macht am 30. Juni an einen zivilen gewählten Präsidenten zu übertragen. Gleichzeitig riss er jedoch die Befugnisse des Parlaments an sich. Tantawi hegt vielleicht nicht ganz zu Unrecht die Hoffnung, dass die Islamisten bei Neuwahlen schlechter abschneiden würden als bei der vergangenen Parlamentswahl. Denn erstens war ihre Performance im Parlament in den vergangenen Monaten nach Einschätzung vieler Wähler eher suboptimal. Zweitens glaubt ein Teil des Wahlvolkes, dass eine Machtbalance zwischen Präsident und Parlament besser wäre als eine islamistische Monokultur.

Doch so einfach geben sich die Verfechter des islamischen Rechts nicht geschlagen. Zwar hatte Mursi seinen Amtseid auf die Verfassung abgelegt und war offiziell aus der Muslimbruderschaft ausgetreten, "um Präsident aller Ägypter" zu werden. Das hinderte ihn aber nicht daran, in seiner neuen Machtvollkommenheit die Entscheidungen des Gerichts und des Feldmarschalls per Dekret außer Kraft zu setzen. Die Kurse der ägyptischen Aktien, die nach der Vereidigung Mursis leicht gestiegen waren, sackten angesichts dieser neuen Machtprobe gleich wieder in den Keller.

Mehrere Präsidentschaftskandidaten, die in der ersten Runde ausgeschieden waren, kritisierten Mursi. Sie erklärten in Interviews ägyptischer Medien, Mursi stelle mit seiner Aktion das Prinzip der Gewaltenteilung infrage. Auch der liberale Politiker und Rechtsanwalt Eiman Nur, der 2005 den mutigen, aber aussichtslosen Versuch unternommen hatte, Mubarak in einer Wahl herauszufordern, ist empört. Er sagt: "Selbst wenn man Vorbehalte hat gegen ein Urteil der Justiz, so sollte man dies trotzdem respektieren, denn sonst stellt man sich gegen den Rechtsstaat."

Schnelle Erfolge notwendig

Die Muslimbrüder wissen, dass Mursi jetzt schnell Erfolge vorweisen muss, damit ihre Bewegung bei der nächsten Parlamentswahl, die voraussichtlich noch dieses Jahr stattfinden wird, gut dasteht. Deshalb beschlossen sie am vergangenen Samstag, sein Programm für die ersten 100 Tage im Amt zu unterstützen. Die Menschen sollen sich auf den Straßen wieder sicher fühlen, mehr subventioniertes Brot kaufen können. Auch die Müllberge auf den Straßen und das Verkehrschaos sollen verschwinden. Das kostet Geld. Die Muslimbrüder haben angekündigt, dass sie Spenden bereitstellen wollen.

An diesem Mittwoch macht Mursi seinen Antrittsbesuch bei der saudischen Herrscherfamilie. König Abdullah, dessen Familie die Staatskasse nach eigenem Gutdünken verwaltet, hat bisher gute Erfahrung damit gemacht, maulende Bürger mit finanziellen Wohltaten und staatlichen Dienstleistungen ruhigzustellen.