Eine lange Nachtsitzung öffnete den Teilnehmern des EU-Gipfels und der Eurogruppe die Augen: Angesichts der massiven Krise um Staatsschulden und Bankenprobleme wollten die verunsicherten Finanzmärkte gewissermaßen endlich Geld sehen und nicht nur Konzepte und Streitereien. Das scheinen sie bekommen zu haben, zeigen jedenfalls die klaren Reaktionen der Börsen.

Die EU-Spitzen selbst räumten in ihrem Schlusspapier mit ungewöhnlicher Deutlichkeit ein, dass es gegolten habe, den "Teufelskreis" zwischen Banken und Staatsanleihen zu durchbrechen. Entsprechend kontroversiell waren nach Angaben von Teilnehmern die Beratungen - samt Nachtsitzung bis gestern vier Uhr früh. Doch sie haben bedeutend mehr gebracht, als Skeptiker der EU und des Euro erwartet hatten.

Ab 2013 wird eine neue zentrale Euro-Bankenaufsicht streng über den Sektor wachen und in bedenkliche Aktionen nationaler Institute eingreifen. Das ist die finale Reaktion darauf, dass lausige nationale Bankaufseher viel zur Eskalation der Krise beitrugen.

Der Preis, den Deutschlands Angela Merkel für zahlt, ist allerdings erheblich. Spaniens Banken bekommen Hilfe vom Euro-Schutzschirm direkt, ohne die Schulden des Staates zu erhöhen, wie es die Regeln vorsehen. Und Italien kann 2013 Staatsanleihen an den ESM verkaufen und sich so aus dem Würgegriffe der Märkte befreien und seine Zinsenlast senken.

Sieger oder Verlierer

Kommentatoren lehnen sich an das Ergebnis des EM-Fußballspiels an und wähnen eine Niederlage Deutschlands und einen Sieg der von Italiens Mario Monti angeführten Südländer. Doch der Chef der Eurogruppe, der Luxemburger Jean-Claude Juncker, macht deutlich: "Es geht nicht um Sieger oder Verlierer, es geht um gemeinsames Bemühen". Dabei bleibt Junckers Zukunft als Chef der Eurogruppe offen. Der Gipfel konnte diese wichtige Personalie nicht mehr erledigen.

Denn Merkel musste nach Berlin eilen, wo der Bundestag den EU-Fiskalpakt und den Euro-Hilfsfonds ESM in einer Sondersitzung zu beschließen hatte. Ihre Botschaft: "Wir sind unserem Prinzip treu geblieben: keine Leistung ohne Gegenleistung".

Zur Beruhigung der Märkte trug auch bei, dass der Gipfel auf eine große Sorge der Banken Rücksicht nahm. Durch die Euro-Hilfen werden sie als Gläubiger nicht gegenüber staatlichen Geldgebern benachteiligt.

Österreichs Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) sieht in den Ergebnissen des Gipfels ein wichtiges Prinzip verwirklicht: "Die Verzahnung von finanzieller Disziplin und Solidarität". Der Euro-kritische Ökonom Nouriel Roubini hatte einmal Lob bereit: "Das durchbricht den Teufelskreis".

Leitartikel Seite 8