Eigentlich ist die Touristeninsel Zypern ein kleines Paradies auf Erden. Aphrodite, die mythische Göttin der Schönheit und der Liebe, wurde hier nach altem Glauben aus dem Meer geboren. Doch wenige Kilometer von den Strandhotels der Touristen spielt sich seit Jahrzehnten ein Drama ab. Die geteilte Insel ist ein Dauer-Konfliktherd im östlichen Mittelmeer.

Erstmals seit dem EU-Beitritt vom Mai 2004 übernimmt die Inselrepublik am 1. Juli die EU-Ratspräsidentschaft. Es ist etwas ganz Besonderes. Und eine diplomatische Herausforderung für Brüssel, Nikosia - und für Ankara.

Zypern ist das einzige teilweise besetzte EU Land. Im nördlichen Drittel der Insel sind seit 1974 schätzungsweise 40.000 türkische Soldaten stationiert. Die Türkei ist Kandidat für einen Beitritt zur EU, erkennt aber wegen der ausbleibenden Lösung der Zypernfrage die Republik Zypern nicht an. Im Norden gibt es die abtrünnige "Türkische Republik Nordzypern": Die Türkei ist der einzige Staat, der diese Republik anerkennt. Die Regierung in Nikosia sieht sich allerdings als Vertretung aller Zyprioten. Bewohner des türkischen Teils bekommen auf Ansuchen die Staatsbürgerschaft und somit die EU-Bürgerschaft, sofern sie nachweisen können, dass sie auf der Insel geboren sind.

Unter Rettungsschirm

Zypern wird auch die erste EU-Ratspräsidentschaft sein, die unter dem finanziellen Rettungsschirm der EU arbeiten muss. Ihre Banken sind stark mit dem Nachbarn Griechenland verbunden und daher auch von der griechischen Finanzkrise infiziert.

"Wir brauchen jetzt Nerven aus Stahl, um diese erste EU-Ratspräsidentschaft Zyperns über die Bühne zu bringen", sagt ein in der Zypernproblematik erfahrener EU-Diplomat in Nikosia. Ein diplomatisches Duell mit der Türkei droht. Denn der Beitrittskandidat Ankara will keinen zypriotischen Diplomaten oder Minister der aktuellen EU-Ratspräsidentschaft empfangen. Nikosia, aber auch andere EU-Staaten, blockieren ohnehin den Beginn von Verhandlungen mit der Türkei in einer Reihe von Verhandlungsbereichen.

"Es ist bedauerlich, dass die türkische Regierung ihre Absicht erklärt hat, nichts mit der zypriotischen Präsidentschaft zu tun zu haben", sagt die zypriotische Außenministerin Erato Kozakou-Markoulli. "Diese Haltung ist nicht nur beleidigend und provozierend gegenüber Zypern, sondern gegenüber der gesamten EU." So sehen das auch die meisten anderen EU-Regierungen.

Dabei geht es in den kommenden sechs Monaten in der EU eigentlich gar nicht um Zypern. Von dem Inselstaat wird erwartet, dass er vor allem den erbitterten Streit zwischen reichen und armen EU-Staaten um die Finanzplanung für die Jahre 2014 bis 2020 bis Dezember beilegt. Es geht um eine Billion Euro. Das Problem ist sehr herausfordernd - Zypern hat vor allem deswegen seine EU-Botschaft in Brüssel von 80 auf 230 Personen verstärkt: "Die Wege nach Nikosia sind lang, deswegen machen wir das meiste in Brüssel", sagt ein Diplomat.

Zypernfrage ungelöst

In Brüssel haben die zypriotischen Diplomaten auch bereits eine gewisse "Ermüdung" der EU-Partner angesichts der Zypernkrise festgestellt. Ohnehin sind viele der größeren EU-Partner immer noch verstimmt darüber, dass es die griechischen - und nicht die türkischen - Zyprioten waren, die im April 2004 unmittelbar vor dem EU-Beitritt den UN-Plan für ein vereintes Zypern ablehnten.

Nun sind die Verhandlungen beider Seiten wieder mal in einer Sackgasse. Die griechischen Zyprioten, etwa 70 Prozent der Bevölkerung, streben eine Föderation zweier Bundesstaaten mit einer starken Zentralregierung an. Die türkischen Zyprioten wollen dagegen eine Konföderation zweier unabhängiger Staaten in einem losen Bund.

Neben dem geopolitischen Problem kämpft Zypern nun auch mit der schweren Wirtschaftskrise. Die Insel mit einem Bruttonationaleinkommen von rund 17,5 Milliarden Euro ist eine der kleinsten Volkswirtschaften des Eurolandes. Die Republik braucht aber dringend Hilfen hauptsächlich für seine angeschlagenen Banken und ihre Rekapitalisierung. Eine wichtige Rolle für die Wirtschaft Zyperns könnten reiche Erdgasvorkommen spielen, die südlich der Insel unter dem Meeresboden entdeckt wurden. Doch auch über deren Ausbeutung gibt es Streit mit Nordzypern und der Türkei.