Griechenland steht offenbar kurz vor der Bildung einer neuen Regierung. Geführt werden soll sie von Antonis Samaras, dem Chef der konservativen Nea Dimokratia (ND). Der Wahlsieger vom Sonntag setzte seine Koalitionssondierungen mit den Führern der sozialistischen Pasok und der gemäßigten Demokratischen Linken (Dimar) am zweiten Tag nach der Wahl fort. "Unsere Ansichten liegen nahe beieinander", sagte Pasok-Chef Evangelos Venizelos. Der Dimar-Vorsitzende Fotis Kouvelis bestätigte: "Der Prozess gewinnt an Fahrt." Er dämpfte aber die zuvor gehegte Hoffnung auf eine schnelle Regierungsbildung. Kouvelis erwartet spätestens bis zum Wochenende eine Einigung.

Die Vorstellungen der drei Parteien liegen nicht weit auseinander: Sie hatten sich im Wahlkampf grundsätzlich zur Fortsetzung des Konsolidierungsprogramms bekannt, wollen aber mit der EU über eine Lockerung der Sparauflagen verhandeln.

Einigkeit sei bei den Koalitionssondierungen bereits darüber erzielt worden, dass Samaras die Regierung führen werde, hieß es in Parteikreisen. Samaras habe vorgeschlagen, etwa ein Drittel der Kabinettsposten mit außerparlamentarischen Technokraten zu besetzen. Das finde bei den anderen Parteiführern Zustimmung, hieß es. Dimar-Chef Kouvelis macht ohnehin zur Bedingung, dass der Regierung keinesfalls Politiker angehören dürfen, die in der Vergangenheit in Skandale verstrickt waren oder durch Korruptionsvorwürfe belastet sind. Kouvelis fordert auch, die strafrechtliche Immunität für Parlamentarier und Minister abzuschaffen, die Abgeordnetendiäten und Ministergehälter zu kürzen, die staatliche Parteienfinanzierung zu halbieren und die Vermögensverhältnisse aller Regierungsmitglieder sowie der leitenden Staatsbeamten rückwirkend bis 1974 zu durchleuchten.

Großer Zeitdruck

Die Parteiführer stehen unter Zeitdruck. Seit das Parlament im April aufgelöst wurde, ist das Land weitgehend gelähmt. Die Finanzlage ist prekär: Der Staat könnte schon im Juli keine Pensionen und Gehälter mehr zahlen, wenn die EU nicht bis Ende Juni geplante Kreditraten von 8,6 Milliarden Euro überweist.

Die neue Regierung will vor allem einen Aufschub der vereinbarten Sparauflagen um mindestens zwei Jahre beantragen. Venizelos verlangt bereits seit Wochen von den Geldgebern einen Aufschub und nannte das Zieldatum 2017. Dem Vorschlag schlossen sich jetzt auch Konservative und Demokratische Linke an.

Die EU-Kommission hat Bereitschaft signalisiert, die Griechen stärker zu stützen. "Es gibt Überlegungen für zusätzliche realwirtschaftliche Maßnahmen", heißt es aus Brüssel. Eurogruppen-Chef Jean-Claude Juncker will den Griechen dagegen "nur" mehr Zeit gönnen. Man müsse sich "darüber unterhalten können, ob wir Griechenland nicht einen längeren Zeitraum zur Verfügung stellen können", sagte Luxemburgs Premier. Eine Lockerung bei dem ausgehandelten Spar- und Anpassungsprogramm wird es aber nicht geben. An die Österreicher gewandt sagte Juncker, das Land habe zuletzt "keine frischen Mittel" an die Griechen mehr gezahlt und profitiere von deren Zinszahlungen.

Auch Bundeskanzler Werner Faymann und Vizekanzler Michael Spindelegger sind dafür, Griechenland einen flexibleren zeitlichen Rahmen bei der Umsetzung von Reformvorhaben zuzugestehen. Die deutsche Kanzlerin Angela Merkel lehnte beim G20-Gipfel in Mexiko eine Lockerung der Auflagen für die neue Regierung dagegen erneut ab. Die vereinbarten Reformen seien wichtige Schritte und müssten umgesetzt werden.

Satte Steuernachforderung

Unterdessen wurde bekannt, dass mehr als eine halbe Million Griechen Einkommenssteuer nachzahlen muss. Die Nachzahlungen sollen dem Staat Mehreinnahmen von 866 Millionen Euro bringen, berichtete die Zeitung "Kathimerini". Man habe die Steuererklärungen von rund 900.000 Griechen aus dem Jahr 2011 geprüft.