Eigentlich wurde der Brüsseler Gipfel einberufen, um dem neuen französischen Präsidenten Francois Hollande ein Entrée auf europäischer Ebene zu verschaffen. Doch das informelle Abendessen im Kreis der Staats- und Regierungschefs im kahlen Verhandlungssaal des Brüsseler Ratsgebäudes wurde von Indiskretionen überschattet, dass die einzelnen Euro-Staaten bereits Notfallpläne für den Austritt der Griechen aus der Euro-Zone ausarbeiten.

In der Nacht auf Donnerstag hat Eurogruppen-Chef Jean-Claude Juncker die Gerüchte bestätigt. Gleichzeitig versuchte er aber zu beruhigen: "Ich habe die Mitgliedsregierungen der Eurozone nicht beauftragt, nationale Notfallpläne auszuarbeiten", sagte Juncker. "Aber selbstverständlich ist es so, dass wir uns auf alle Szenarien einstellen müssen, weil wir sonst unserer Aufgabe nicht gerecht würden." Juncker betonte: "Unsere Arbeitshypothese und unser politischer Wille ist, dass Griechenland Mitglied der Eurozone bleibt. Darüber sollten überhaupt keine Zweifel entstehen."

Dennoch gibt es auch kleine Erfolge. Der EU-Sondergipfel hat sich nach Angaben der deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel grundsätzlich auf Impulse für mehr Wachstum in der Eurozone verständig. "Konsolidierung der Finanzen und Wachstum sind keine Gegensätze", sagte Merkel Donnerstag früh nach dem rund sechsstündigen Treffen in Brüssel. Für den nächsten regulären Gipfel Ende Juni sei eine umfassende "Arbeitsagenda" besprochen worden.

Wogen glätten

Wenige Wochen vor den schicksalhaften griechischen Wahlen waren die Regierungschefs darum bemüht, nicht unnötig Öl ins griechische Feuer zu gießen. "Wir wollen den Griechen keine unnötigen Ratschläge erteilen", bringt Bundeskanzler Werner Faymann das Dilemma auf den Punkt, um dem hinzuzufügen: "Erpressen lässt sich aber niemand." Es liege an den Griechen, nicht an der EU, welches Schicksal das Land nach den für den 17. Juni anberaumten Wahlen nimmt.

Hinter den Kulissen wurde von allen Seiten beteuert, die Griechen sollten sich keine falschen Hoffnungen machen, dass die EU nach einem Machtwechsel in Athen, der die EU-Skeptiker in die Regierung spült, zu Konzessionen bei den strengen Sparauflagen bereit wäre. "Das können sie sich abschminken", wettert ein Diplomat.

Sonst wurde der Gipfel vom erstmaligen Auftauchen des neuen französischen Präsidenten bestimmt, der die EU zu einem Kurswechsel zwingen will: weg von einer reinen Spar- und Austeritätspolitik hin zu mehr Wachstum. Über das Ziel sind sich die meisten Regierungschefs sogar einig, der Teufel steckt aber im Detail.

In die Haare gerieten sich Hollande und die deutsche Kanzlerin Angela Merkel in der Frage der Eurobonds. Während die Deutschen überhaupt keine Veranlassung sehen, dass sie ihre Top-Bonität auf dem europäischen Altar opfern, fordern die Franzosen - im Schulterschluss mit anderen Ländern - eine europäische Solidarität ein.

Faymann unterstützt Hollande mit dem Verweis auf exorbitante Zinsen in Höhe von 300 Milliarden Euro, die die Länder der Euro-Zone derzeit zu stemmen haben. "Wir müssen diese in den Griff bekommen." Auch Italien, Dänemark und Luxemburg machen sich für die Eurobonds stark, die frühestens in fünf Jahren das Licht der Welt erblicken würden. Zuvor müsste noch der EU-Vertrag geändert werden.

Hollande im Wahlkampf

Dass Hollande so bestimmt bei dem gestrigen Brüsseler EU-Gipfel auftritt, hat einen simplen Grund: In zwei Wochen wählen die Franzosen ein neues Parlament, Hollande braucht eine linke Mehrheit in der Nationalversammlung, um seine Politik denn auch durchsetzen können. Hollande will mit dem viel beschworenen Kurswechsel hin zu mehr Wachstum bei seinen Wählern punkten. Bereits der Nato-Gipfel in Chicago stand im Zeichen des Wahlkampfs. Hollande sorgte mit dem vorzeitigen Abzug der französischen Truppen aus Afghanistan für Schlagzeilen.