Immerhin schwiegen in Europa nach dem 8. Mai 1945 die Waffen, zumindest offiziell und zwischen den Krieg führenden Staaten. Man hatte sich darauf verständigt, die Vereinten Nationen, also die UNO, zu gründen, was am 24. Oktober 1945 in San Francisco auch erfolgte. Mit stärkeren Befugnissen ausgestattet, als es der Völkerbund der Zwischenkriegszeit gewesen war, sollte diese Institution in Hinkunft den Weltfrieden garantieren. Dass dies nur ansatzweise gelingen sollte, weil Stellvertreterkonflikte und blutige regionale Kriege bald wieder auf der Tagesordnung standen, ist eine andere Geschichte.

Wie aber sah nun die Weltordnung aus, die 1945 entstanden war und die bis 1989, also fast ein halbes Jahrhundert lang, bestehen sollte?

Die Siegermächte des Westens und des Ostens standen sich von Beginn der Nachkriegszeit an feindselig und misstrauisch gegenüber. Die Anti-Hitler-Koalition hatte die Widersprüche, die zwischen den Systemen praktisch ab 1917 bestanden, überdeckt. War es nach dem Ersten Weltkrieg den Westmächten gelungen, einen Cordon sanitaire, also eine Art „Seuchengürtel“ im östlichen Mitteleuropa zu errichten, um ein Übergreifen des Kommunismus auf Zentral- und Westeuropa zu verhindern, so hatte nun der Verlauf des Zweiten Weltkrieges die 1919 neu geschaffene Staatenwelt praktisch zur Gänze in den Einflussbereich der Sowjetunion gebracht. Sowjetische Truppen hatten ihre Fahnen auf dem Reichstag in Berlin gehisst und sie hatten auch Wien vom Nationalsozialismus befreit. Sie standen daher mitten in Europa und wurden, da ihnen nur das kriegsgeschwächte Frankreich auf dem Kontinent entgegenstand, in London und Washington als eminente Bedrohung wahrgenommen. Man war daher auf die Schutzmacht USA angewiesen, die mit der Atombombe über ein Instrument verfügte, das der massiven quantitativen Überlegenheit der sowjetischen Streitkräfte in Kontinentaleuropa nicht nur Paroli bieten konnte, sondern die Überlegenheit des Westens garantieren sollte.

Die Geburtsstunde des Eisernen Vorhangs

Winston Churchill prägte schon 1945 den Begriff des „Eisernen Vorhanges“. Im März 1946 präzisierte er seine Vorstellungen bei einer Rede in den USA: „Von Stettin an der Ostsee bis Triest an der Adria hat sich ein Eiserner Vorhang auf Europa herabgesenkt. Dahinter liegen all die Hauptstädte der alten Staaten Mittel- und Osteuropas. Warschau, Berlin, Prag, Wien, Budapest, Belgrad, Bukarest und Sofia.“ Churchill sah, dass auch Berlin und Wien in sowjetischen Besatzungszonen lagen. Diese beiden Städte standen jedoch unter vierfacher Verwaltung und teilten so das Schicksal der anderen Hauptstädte nur zum Teil. Insgesamt aber hatte er recht.

Die neue Trennlinie, die sofort nach dem Krieg durch Europa lief, wurde immer undurchdringbarer. Sie trennte Familien und beeinflusste die Lebenschancen für Generationen. „Ost“ und „West“ waren nicht mehr nur Himmelsrichtungen, sondern weltpolitische Positionierungen. Wien konnte noch 1945 zur Hauptstadt eines geeinten, wenn auch von vier Besatzungen geteilten Landes werden, Berlin jedoch blieb umstritten und umkämpft, ein Hotspot des beginnenden Kalten Krieges und die Symbolstadt für die geteilte Welt.

Einen Knopfdruck von der Katastrophe entfernt

Ein „Kalter Krieg“ unterscheidet sich von einem tatsächlichen Krieg nur dadurch, dass die Waffen schweigen. Alle anderen Merkmale eines Krieges, also Propaganda, Spionage, ökonomische Abschottung und Verhinderung von privaten Kontakten über die Trennlinien hinweg sind Merkmale eines solchen Kriegszustands. Daher charakterisiert dieser Begriff recht gut die Jahre, die auf den Zweiten Weltkrieg folgten. An den Rändern der Einflussgebiete wurde der Krieg manchmal auch heiß, in Korea, später in Vietnam, und beim Ringen um Herrschaftsansprüche in Afrika oder Lateinamerika. Auch große kriegerische Explosionen schienen nicht ausgeschlossen. So führte die Kubakrise der Welt vor Augen, dass sie in diesem Moment nur einen Knopfdruck von einer globalen atomaren Katastrophe entfernt gewesen ist.

Die UNO als moralischer Orientierungspunkt

Die bipolare Welt, entstanden als Antwort auf den Zweiten Weltkrieg, schien unveränderbar. Wie einst im Biedermeier nach den Napoleonischen Kriegen sollte das Gleichgewicht des Schreckens eine relative Friedensperiode zumindest in Europa garantieren. Die Annäherung zwischen Frankreich und (West-)Deutschland wurde zudem zum Startschuss für das große Friedensprojekt eines geeinten Europa. Zudem bot die UNO einen Schirm, und mit der Erklärung der Menschenrechte auch sehr bald einen allgemeingültigen moralischen Orientierungspunkt.

Seit auch die Sowjetunion über Atomwaffen verfügte, schien es vor allem so zu sein, dass gerade das Zerstörungspotenzial dieser Technologie die Latte für den Beginn eines bewaffneten Konflikts zwischen den Großmächten sehr hochgelegt hatte. Diese Rüstungsspirale drehte sich immer weiter, setzte sich mit dem Wettlauf im All fort und führte letztlich zur Systemüberforderung des sowjetischen Imperiums.

Österreich, durch das ja nach dem Kriegsende der Eiserne Vorhang lief, der das Mühlviertel vom übrigen Oberösterreich abtrennte (mit einem Checkpoint mitten auf der Nibelungenbrücke in Linz), mit einer Grenze an der Enns und am Semmering, blieb das deutsche Schicksal der Spaltung des Landes erspart. Die Siegermächte hatten sich schon 1943 in der Moskauer Deklaration zur Wiedererrichtung eines von Deutschland getrennten unabhängigen Staates verpflichtet. Spätestens mit den Wahlen vom Dezember 1945, die die Kommunisten marginalisierten, stand die Ausrichtung Österreichs nach dem Westen außer Frage. Die Neutralität, erst später ins Spiel gebracht, um den Staatsvertrag zu ermöglichen, bedeutete nie eine ideologische Äquidistanz zwischen den beiden großen Machtblöcken.

Wir, auf der angenehmeren Seite der geteilten Welt, noch dazu großzügig unterstützt durch die Hilfsgüter des Marshall-Plans, da wir ja als Auslage für die Menschen vor allem in der Tschechoslowakei dienten, konnten es uns gut einrichten in dieser neuen Welt. Obwohl Prag westlicher liegt als Wien oder Ljubljana/Laibach westlich von Graz, waren Graz und Wien „Westen“, Prag und Ljubljana/Laibach hingegen „Osten“. Vor allem nach der vollständigen Machtübernahme der Kommunisten 1948 in der Tschechoslowakei waren diese Zuordnungen gefestigt.

Das offizielle Österreich sah weg

Der eigene Anteil an der Schreckensherrschaft der Nationalsozialisten wurde verdrängt, man war ja das „erste Opfer“. Vieles wurde unter den Teppich gekehrt, vieles wurde aber auch tradiert, an den Stammtischen, in Vereinen oder in privaten Runden. Das offizielle Österreich schaute weg. Beide großen Parteien warben bald um die ehemaligen Nationalsozialisten, die Entnazifizierung wurde rasch großzügig gehandhabt. Karrierewege standen offen, Gerichtsurteile waren, wie im Fall Murer, eher ein Sittenbild als eine klare Abwägung von Sachverhalten. Österreichische Orden wurden verteilt, so auch an Hans Globke, den Mitverfasser der Nürnberger Rassengesetze. Über vieles wurde hinweggesehen. Es sollte lange dauern, bis diese österreichische Selbstinszenierung Österreichs tatsächlicher Rolle in der Zeit des Nationalsozialismus Platz machen musste.