Ein 17-Jähriger, der am 9. Mai 2013 in einer Wohnhausanlage in der Sandleitengasse in Wien-Ottakring einen befreundeten 35 Jahre alten Mann gewaltsam zu Tode gebracht hatte, ist am Mittwochabend im Straflandesgericht wegen Mordes zu acht Jahren Haft verurteilt worden. Der Schuldspruch im Sinne der Anklage fiel mit 5:3 Stimmen äußerst knapp aus. Der Jugendliche wurde darüber hinaus in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher eingewiesen.

"Ich habe einen Hänger gehabt"

Der Antrag der Staatsanwaltschaft auf Unterbringung einer psychisch kranken 29-Jährigen im Maßnahmevollzug wurde demgegenüber von den Geschworenen abgewiesen. Die laut Gutachten infolge einer paranoiden Schizophrenie zurechnungsunfähige Frau war dem Wahrspruch zufolge bei der Bluttat zwar zugegen, an den Tathandlungen aber nicht beteiligt.

Die Entscheidungen des Schwurgerichts (Vorsitz: Beate Matschnig) sind nicht rechtskräftig. Der 17-Jährige nahm das Urteil an, die Staatsanwältin gab vorerst keine Erklärung ab.

"Ich habe einen Hänger gehabt. Ich konnte nicht mehr aufhören", hatte der Bursch in seiner Einvernahme die inkriminierte Bluttat erklärt. Als Tötungswerkzeuge hatten ihm seine bloßen Fäuste, zwei Holzlatten, eine Bratpfanne, ein Kochtopf, ein Skistock und zwei Scheren gedient. Wie der Gerichtsmediziner darlegte, war der 35-Jährige an mindestens 50 von den Scheren herrührenden Stichverletzungen, an mindestens 20 Stichen mit dem Skistock und mindestens zehn wuchtigen Schlägen mit einem stumpfen Gegenstand gestorben. Das Opfer war 1,66 Meter groß und 55 Kilogramm schwer und dem Jugendlichen damit körperlich unterlegen.

Der aus äußerst tristen familiären Verhältnissen stammende Bursch - sein Stiefvater hatte ihn wiederholt schwer misshandelt, seine Mutter soll ihn im Schlafanzug in die Volksschule geschickt haben, worauf er auf Veranlassung des Jugendamts in diverse Heime kam - hatte das spätere Opfer in einem Supermarkt kennengelernt. Daraus entwickelte sich eine Art Freundschaft. Dass diese blutig zu Ende ging, nachdem man gemeinsam Alkohol und Drogen konsumiert hatte, erklärte der Angeklagte folgendermaßen: Der 35-Jährige habe ihm gegenüber behauptet, ein kleines Mädchen vergewaltigt zu haben. Er habe ihm sogar die Stelle gezeigt. Dort wären tatsächlich Wäschestücke gelegen. Da sei er "ausgezuckt" und habe dem Mann zunächst ins Gesicht geschlagen.

Infolge des vorher eingenommenen Mephedron (MMC) habe er von dem Mann nicht mehr ablassen können: "Wenn man MMC nimmt, kann man nicht mehr aufhören, wenn man einmal angefangen hat."

Schizophrenie prägt Persönlichkeitsstruktur

Laut Gerichtspsychiaterin Gabriela Wörgötter leidet der 17-Jährige an einer Schizophrenie, die ihn zwar nicht zurechnungsunfähig macht, doch seine Persönlichkeitsstruktur prägt. Der Jugendliche war zuletzt vom August Aichhorn Haus - einer sozialpädagogisch-therapeutischen Einrichtung, die dem Wiener Jugendamt (MAG ELF) untersteht - betreut worden. Die Methoden, die dabei zur Anwendung gelangten, zweifelte Wörgötter in der Verhandlung unverhohlen an.

So wurde der Bursch vom Jänner 2010 bis zum August 2011 nach Spanien verbracht, wo er mit einem Beschäftigten des August Aichhorn Hauses lebte. Man habe den Burschen "von seinem sozialen Umfeld wegbringen wollen", erläuterte der Betreuer dem Gericht. Dieser Betreuer hatte allerdings keinerlei pädagogische Ausbildung und war auch nicht als Sozialarbeiter tätig. Auf Befragen, was ihn dann dazu befähigt habe, sich um den schwierigen Burschen zu kümmern, erwiderte der Mann im Zeugenstand: "Ich war der Einzige, der mit ihm umgehen konnte." Und weiter: "Es waren zu wenig Geschulte anwesend."

Dem 17-Jährigen habe es in Spanien sehr gut gefallen, berichtete Wörgötter im Anschluss. Dieser habe ihr im Rahmen ihrer Untersuchung erzählt, er sei dort im Wesentlichen im Garten gesessen und habe "Palmblätter geraucht". Ob der Aufenthalt aus therapeutischer Sicht etwas bewirkt habe, könne sie nicht beurteilen: "Was genau dort stattgefunden hat, ist nicht dokumentiert."

Nach der Rückkehr nach Wien sei der Bursch de facto fallen gelassen worden, indem er vom gewohnten Setting - er hatte in Spanien engmaschig in Gesellschaft des Betreuers und dessen Freundin und damit an der Seite zweier Bezugspersonen gelebt - allein in einer Wohnung landete. "Das Konzept, das da dahinter steckt, kann ich nicht verstehen", stellte Wörgötter fest. Es sei der ursprünglichen Intention, den Jugendlichen von seinen negativen Einflüssen wegzubringen, diametral entgegengelaufen: "Es ist nicht gelungen, dass er da rauskommt. Es ist ärger geworden. Es war schlimmer als vorher." Der Bursch habe sich nun die meiste Zeit wieder auf der Straße aufgehalten, erklärte die Psychiaterin.

Jugendlicher spielte brutale Videospiele

Ihm eine Psychotherapie zu vermitteln, habe das Aichhorn Haus "nicht angedacht", gestand der zeugenschaftlich vernommene Vertreter der Einrichtung. Dies, obwohl ihm schon in Spanien aufgefallen war, dass der Jugendliche ausschließlich äußerst brutale Videospiele spielte und Zeichnungen "mit Fratzen, an denen jeder Psychiater seine Freude gehabt hätte" anfertigte.

Nach der Bluttat und seiner Festnahme hatte der 17-Jährige der Jugendgerichtshilfe erklärt: "Wenn ich jemanden verletze, dann richtig." Laut psychiatrischem Gutachten kennt der Angeklagte kaum Schuldgefühle und Empathie. Ohne entsprechende Behandlung sei mit einer Wahrscheinlichkeit von 55 Prozent von einer neuerlichen strafbaren Handlung in den kommenden fünf Jahren zu rechnen, stellte Wörgötter fest, weshalb sie sich für den Fall eines Schuldspruchs für eine Unterbringung im Maßnahmevollzug aussprach.