In der KZ-Gedenkstätte Mauthausen haben am Sonntag Delegationen aus aller Welt der Befreiung des Konzentrationslagers durch die US-Armee gedacht. Thema der größten KZ-Befreiungsfeier Europas, an der auch die Überlebenden Evgeny Khrol und Shaul Spielmann teilnahmen, war "Zivilcourage". Der Vorsitzende des Mauthausen Komitee Österreich (MKÖ) Willi Mernyi und der evangelische Bischof Michael Chalupka appellierten dazu, heute den Mut aufzubringen, "Nein" zu Ausgrenzung zu sagen.

"Wir gedenken den vielen Menschen, die gegen den Nationalsozialismus Widerstand geleistet haben, die andere Mitbürgerinnen und Mitbürger gerettet haben, Menschen, die mutige Einzelaktionen gegen Behörden und Nazifunktionäre initiiert haben, die widerständige Aktivitäten in Fabriken oder in der Rüstungsproduktion durchgeführt haben", sagte Mernyi. Man verneige sich vor diesen Menschen, die ihr Leben und das ihrer Familien riskiert hätten, die "in einer Zeit, in der die Mehrheit angepasst war", Mut gezeigt hätten. "Euer Wirken ist unsere Motivation im Kampf gegen Rassismus, Ausgrenzung, Chauvinismus und Fremdenfeindlichkeit. Wir wollen euch dadurch ehren, dass wir dazu laut und deutlich 'Nein' sagen."

Gedenken an die vielen Opfer des Nationalsozialismus in Mauthausen
Gedenken an die vielen Opfer des Nationalsozialismus in Mauthausen © (c) APA/WERNER KERSCHBAUMMAYR (WERNER KERSCHBAUMMAYR)

"Zivilcourage ist Widerstand gegen jede Form der Diskriminierung", betonte Chalupka im ökumenischen Gottesdienst vor der Feier, den er gemeinsam mit dem Linzer Diözesanbischof Manfred Scheuer und dem orthodoxen Erzpriester Ioannis Nikolitsis zelebrierte. "Vernichtungsfantasien beginnen mit Diskriminierung: Wenn sich eine Gruppe über die andere stellt. Wenn Fremde mit abwertenden Bezeichnungen belegt werden. Wenn ihnen Gleichwertigkeit und Menschlichkeit abgesprochen werden und sich die vermeintlich Überlegenen in den eigenen Vorurteilen suhlen. Es beginnt mit der Abwertung, dem Hohn und dem Spott und endet mit dem Befehl zu töten", warnte der Bischof.

Mauthausen Schwur

Zu Beginn der Feier wurde der Mauthausen Schwur verlesen. Den Schwur, der ein Bekenntnis zu Friede, internationaler Solidarität und Freiheit ist, an einem Ort wie dem Appellplatz des ehemaligen KZ, wo zur NS-Zeit nur Deutsch erlaubt gewesen sei, in mehr als 20 Sprachen vorzutragen, sei ein Zeichen der Internationalität, unterstrichen die Moderatorinnen Mercedes Echerer und Konstanze Breitebner. Der Präsident des Comité International de Mauthausen (CIM), Guy Dockendorf, beschwor den Geist, in dem er verfasst wurde - auch wenn es angesichts der aktuellen weltpolitischen Lage herausfordernd sei, den Mauthausen Schwur weiter glaubwürdig mit Leben zu erfüllen.

Delegationen aus aller Welt legten vor dem Sarkophag am ehemaligen Appellplatz Kränze nieder. Im KZ Mauthausen und seinen mehr als 40 Nebenlagern wurden zwischen 1938 und 1945 knapp 200.000 Menschen aus mehr als 40 Nationen gefangengehalten, rund 90.000 überlebten nicht. Das offizielle Österreich war bei dem Gedenken u.a. durch Vizekanzler Werner Kogler (Grüne), Innenminister Gerhard Karner, Verfassungsministerin Karoline Edtstadler und den oberösterreichischen Landeshauptmann Thomas Stelzer (alle ÖVP) repräsentiert, zudem waren Vertreter aller Parlamentsparteien mit Ausnahme der FPÖ anwesend. Unter den Ehrengästen war auch Altbundespräsident Heinz Fischer. Das amtierende Staatsoberhaupt Alexander Van der Bellen war durch die Krönungsfeierlichkeiten in London verhindert, wird aber am Montag gemeinsam mit Mernyi das Fest der Freude am Wiener Heldenplatz eröffnen.

Die nächste Internationale Befreiungsfeier findet am 5. Mai 2024 unter dem Titel "Recht und Gerechtigkeit" statt.