Was sie gefunden hätten, sei schockierend, sagt Studienautorin Nina Vaaranen-Valkonen, die Geschäftsführerin von "Protect Children ry.": "Sehr viele der Befragten sind schon als Kind diesen Materialien ausgesetzt worden." Mehr als 22.500 Menschen wurden für eine Studie der finnischen Kinderschutzorganisation anonym im Darknet befragt; sie alle hatten sich im Netz Inhalte angesehen, die den sexuellen Missbrauch von Kindern zeigen. Die Ergebnisse wurden am Mittwoch bei einer Pressekonferenz präsentiert.

"Uns geht es um zwei Dinge. Einerseits wollen wir mehr Wissen darüber sammeln, wie die Prävention solcher Taten funktionieren kann, andererseits wollen wir die Wege verstehen lernen, die zu diesem kriminellen Verhalten führen", sagt Vaaranen-Valkonen.

Unter den 1079 deutschsprachigen Befragten stechen drei Zahlen hervor, heißt es von der Organisation:

  • 49 Prozent der deutschsprachigen Befragten haben auch offline den Kontakt zu Kindern gesucht – das seien um elf Prozent mehr als der Durchschnitt aller Befragten (gefragt wurde unter anderem auch auf Englisch, Spanisch und Russisch).
  • 70 Prozent waren jünger als 18, als sie zum erstem Mal Missbrauchsbilder oder -videos angesehen haben.
  • 51 Prozent gaben an, sie seien zum ersten Mal zufällig auf dieses Material gestoßen – oft über Plattformen wie Facebook oder Youtube. Etwa, weil sie nach anderen pornografischen Inhalten gesucht haben. Das zeige laut "Protect Children ry.", dass die User viel zu leicht an diese Missbrauchsbilder kommen.

"Wir haben leider eine eklatante Zunahme bei den Missbrauchsdarstellungen von Kindern. Doch egal wie viele Millionen Fälle es sind, jeder ist einer zu viel", sagt Astrid Winkler, Geschäftsführerin von ECPAT Austria, einer Arbeitsgemeinschaft für den Kinderschutz. Demnach wurden im Jahr 2014 etwa eine Million Bilder und Videos gemeldet, 2021 seien es dann bereits mehr als 85 Millionen gewesen. Der Europarat schätzt, dass jedes fünfte Kind in Europa zum Opfer von sexueller Gewalt wird.

Werbung für umstrittene EU-Verordnung

Aufgrund der Millionen an Fällen und Tätern brauche es einen Fokus auf Prävention: "Sie können nicht jeden wegsperren. Es ist zu viel verfügbar und zu leicht zugänglich", sagt Winkler. Sie und ihre Organisation treten für eine geplante EU-Verordnung ein, die Ende des Vorjahrs Aufregung verursachte. Bekannt wurde sie unter dem Stichwort "Chatkontrolle". Messengerdienste und Chatforen sollen dadurch stärker überwacht werden können. Datenschützer, aber auch Kinderschutzorganisationen kritisierten die Verordnung als überschießend, manche sprachen von einer "kompletten Überwachung der Zivilgesellschaft". Die österreichische Bundesregierung lehnt die Verordnung ab. 

"Details der Verordnung kann man natürlich kritisieren. Doch es braucht eine EU-weite, einheitliche Regelung. Die Regierung soll ihre ablehnende Haltung überdenken", sagt Wagner. Die Verordnung sei keine generelle Verpflichtung zur Überwachung. Vielmehr gehe es darum, digitale Werkzeuge zu nutzen und weiterzuentwickeln, um Kindesmissbrauch zu bekämpfen. Das gehe etwa mittels Künstlicher Intelligenz, die auf bestimmte Aspekte in Bildern und Videos anspringt und diese dann zur Prüfung an einen Menschen weiterleitet.

Die umstrittene Aufdeckungsanordnung (Detection Order) in der Verordnung, die Tech-Unternehmen dazu verpflichtet, die Nachrichten auf ihren Plattformen nach verdächtigen Inhalten zu durchsuchen, müsse von einem Gericht verfügt werden und sei das letzte Mittel bei "risikobedingten Anlassfällen". "Das Recht auf Privatsphäre der User und das Recht der Kinder, vor Gewalt geschützt zu werden, sind zwei zentrale Grundrechte, die sich gegenseitig nicht ausschließen dürfen, sondern Hand in Hand gehen sollten", sagt Winkler.