Ein Prozess am Innsbrucker Landesgericht ist Donnerstagabend trotz Mordanklage mit einer nicht rechtskräftigen Verurteilung wegen absichtlich schwerer Körperverletzung mit Todesfolge und versuchter Nötigung zu Ende gegangen. Eine 30-jährige Tirolerin wurde deswegen zu fünf Jahren unbedingter Haft verurteilt. Sie soll im März 2022 im Streit stark alkoholisiert eine ebenfalls betrunkene 51-Jährige bis zu Bewusstlosigkeit gewürgt haben. Das Opfer verstarb wenige Tage später.
Die 30-Jährige hatte sich zum Verdacht des Mordes nicht schuldig bekannt. Die Angeklagte hatte nun die Mindeststrafe für Körperverletzung mit Todesfolge erhalten, weil sie "reumütig geständig" war und von sich aus in der Untersuchungshaft eine Therapie begonnen habe, führte die Richterin in ihrer Urteilsbegründung aus. Zudem habe sie nach der Würgeattacke die Rettungskette in Gang gesetzt und versucht, die 51-Jährige zu reanimieren, sagte sie weiters. Weil die 30-Jährige aber zuvor versucht hatte, die 51-Jährige mit Gewalt dazu zu bewegen, sich für Beleidigungen zu entschuldigen, wurde sie außerdem wegen versuchter Nötigung verurteilt. Die Geschworenen waren der Mordanklage einstimmig nicht gefolgt.
Nach Beleidigungen "explodiert"
Zu der Auseinandersetzung zwischen den beiden Frauen war es in einer Wohnung gekommen, in der noch weitere, ebenfalls alkoholisierte, Personen anwesend waren. Das spätere Opfer habe sie bei einer Auseinandersetzung als "die größte Hure Kufsteins" und als "Rabenmutter" beschimpft, sagte die Angeklagte vor dem Geschworenengericht. Letzteres habe sie vor allem deshalb so stark "getriggert", weil ihre eigene Tochter "fremduntergebracht" sei und sie eine Abtreibung hinter sich gehabt habe. Auch deshalb sei sie nach den Beleidigungen einfach "explodiert" und habe begonnen, die 51-jährige Frau zu würgen.
Sie habe diese aber "nicht töten wollen". Ihre Absicht hinter der Attacke war lediglich, dass "sie sich bei mir für ihre Aussagen entschuldigt". Was während des Würgens passiert war, "wisse sie nicht mehr genau". "Ich war wie im Rausch", meinte die Angeklagte. Auch wie lange sie ihr Opfer wirklich gewürgt hatte, konnte sie auf Nachfrage von Richterin Martina Eberherr nicht sagen.
Zuvor hatte Staatsanwalt Joachim Wüstner in seinem Plädoyer von einem "vollendeten Mord" gesprochen. Die Angeklagte sei zwar "alkoholisiert gewesen", aber sie habe "dennoch gewusst, was sie tut", so der Ankläger. Der Verteidiger der Angeklagten sah das naturgemäß anders: "Es gab keinen Vorsatz. Sie wollte nicht, dass die Frau stirbt."
Die einvernommenen Zeugen, die zum großen Teil bei der Auseinandersetzung der beiden Frauen anwesend und ebenfalls stark alkoholisiert waren, konnten die Situation diesbezüglich nicht erhellen. "Wir haben Karten gespielt und getrunken", sagte beispielsweise ein Zeuge. Ein anderer betonte wiederum, dass er glaube, dass die Tat "ohne den Konsum von Wodka nicht passiert wäre". Ein weiterer Zeuge merkte außerdem an, dass es sich bei der Angeklagten um einen "herzensguten Mensch" handle.
Opfer erlitt "massive Hirnschäden"
Diese habe ihr Opfer jedenfalls "über mehrere Minuten gewürgt", sagte Gerichtsmediziner und Gutachter Walter Rabl. Es sei zweifellos "ein erheblicher Würgevorgang gewesen", fügte er hinzu. Ob die Angeklagte ihr Opfer mit einer oder zwei Händen gewürgt habe, ließe sich hingegen "nicht objektivieren". Es habe aber an beiden Halsseiten etwa "Schürfungen und Würgemale gegeben". Es sei jedenfalls durch Sauerstoffmangel zu "massiven Hirnschäden" gekommen, woran die Frau auch acht Tage später verstarb.
Das psychiatrische Gutachten erklärte sie im Anschluss schließlich als zurechnungsfähig. "Sie war natürlich unter dem Eindruck der Berauschung durch Alkohol", sagte Gutachter Gerald Suttner. Dadurch sei ihr "Dispositionsvermögen eingeschränkt gewesen". "Sie nahm aber ihr Tun und Handeln wahr", fügte er hinzu. Das zeige sich auch daran, dass die Frau die einzige nach der Tat anwesende Person war, die "noch den Notruf wählen konnte". Sie habe die Rettungskette zudem "gut gemanagt", was belege, dass die 30-Jährige aufgrund ihrer Alkoholgewöhnung wohl nicht allzu stark beeinträchtigt war.
Geschworene: "Keine Tötungsabsicht"
Nach den Schlussplädoyers des Staatsanwalts und des Verteidigers zogen sich die Geschworenen zweieinhalb Stunden zur Beratung zurück. Ihnen hatte der Staatsanwalt mit auf den Weg gegeben, dass es sich zweifellos um einen Mord gehandelt habe. "Die Angeklagte hat es für möglich gehalten, dass die von ihr gewürgte Frau sterben könnte", sagte er. Der Verteidiger widersprach: "Sie wollte das Opfer misshandeln oder verletzen, ganz sicher aber nicht töten." Dafür spreche auch, dass sie schließlich die Rettungskette in Gang setzte. "Mörder tun das sehr selten", argumentierte der Verteidiger.
Laut Anklage ergab die Obduktion, dass der Tod die Folge der Gewalteinwirkung gewesen war. Die Staatsanwaltschaft beantragte zusätzlich die Unterbringung in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher. Die Frau soll unter anderem an einer Borderline-Persönlichkeitsstörung leiden. Ihr drohte bis zu lebenslängliche Haft.