Wir leben in einer von Krisen gezeichneten Gesellschaft: Wie haben Sie als Expertin für Kinderrechte das Jahr 2022 in Österreich erlebt?

Elisabeth Schaffelhofer-Garcia Marquez: Kinder und Jugendliche erleben all diese Krisen genauso wie wir Erwachsene. Teilweise hat es auf sie aber viel stärkere Auswirkungen. Das hängt mit der Unsicherheit zusammen, die sie erleben: Krieg, Klima, alles wird teurer. Hinzu kommt, dass seit Beginn der Pandemie ohnehin alle angeschlagen sind. Alles in allem sind Kinder und Jugendliche also nicht so unbeschwert unterwegs, wie sie es eigentlich sein sollten.

Ist also das Recht des Kindes auf eine unbeschwerte Kindheit bedroht?

Die Unbeschwertheit ist vor allem dann bedroht, wenn wir als Erwachsene nicht da sind. Wir wissen aus Studien: Kindern geht es besser, wenn man ihnen zuhört und sie ernst nimmt. Natürlich verunsichert uns Erwachsene diese Situation auch. Trotzdem müssen wir Kindern das Gefühl vermitteln: Ich bin für dich da und glaube fest daran, dass all das vorübergeht. Insofern kann jeder von uns dabei helfen, eine unbeschwerte Kindheit zu ermöglichen. Natürlich mit gewissen Grenzen: Kriege, Teuerungen und die Klimakrise lassen sich nicht wegreden. Was ich dabei sehr kritisch sehe: Es braucht eine politische Antwort auf all diese Probleme. Und diese Antwort haben Kinder und Jugendliche im Jahr 2022 definitiv nicht bekommen. Vielleicht habe ich eine eingeschränkte Wahrnehmung. Oder wir haben in Österreich wirklich niemanden, der sich dieser Sorgen annimmt – außer dem Bundespräsidenten vielleicht. Aber ich hätte zum Beispiel noch nie von einer Familienministerin gehört: Was auch immer wir hier beschließen, ich rede mit Kindern und Jugendlichen und nehme diese Sorgen in jeden Gesetzesbeschluss mit.