Wahrscheinlich gibt es geschriebene Kommunikation im Dialekt schon, seit SMS verbreitet sind. Was über viele Jahre wohl nur Jugendliche begeistert hat, hat sich in den letzten Jahren in viele Altersgruppen und Schichten ausgebreitet. Wo, wie und mit wem im Dielakt geschrieben wird, war eines der zentralen Themen des Kongresses der „Internationalen Gesellschaft für Dialektologie des Deutschen“, der kürzlich in Salzburg stattgefunden hat.

Wie auch bei der gesprochenen Sprache ist auch bei der geschriebenen ein eindeutiger Weißwurstäquator bemerkbar. Sprachforscherinnen und -forscher haben in mehreren Befragungen das Verhalten von jungen Menschen untersucht. In Salzburg und im bayrischen Bamberg etwa schreibt nur jeder siebte Studierende nicht im Dialekt. Im Norden Deutschlands hingegen wird kaum in der Umgangssprache gechattet, unabhängig davon ob es eine solche gibt oder nicht.

Unter Jungen fast selbstverständlich

Die Schweizer Germanistin Helen Christen, Professorin an der Universität Freiburg i. Ü. hat diese Befragungen in der Schweiz durchgeführt. In den dortigen Regionen Baden und Freiburg geben sogar mehr als 90 Prozent der Befragten Studierenden und Berufsschüler an, unter anderem im Dialekt zu schreiben. In ihrer Forschung fand sie heraus, dass es nicht darum gehe, "die Standardsprache als Schriftsprache in Frage zu stellen.

Vielmehr wird mit Dialekt, der für Sachprosa gebraucht wird, deutlich gemacht, dass dieser in seinen Ausdrucksmöglichkeiten keineswegs eingeschränkt ist. Es geht um Dialektschreiben im Dienste des Dialekts", so Helen Christen. Ein Indiz dafür sei unter anderem auch, dass es mittlerweile auch Dialekt-Versionen der Wikipedia gebe, dort aber nicht nur Lokales verhandelt werden. Die Betreiberinnen und Autoren der bayrischen oder alemannischen Enzyklopädie hätten vielmehr den Anspruch, sich inhaltlich nicht einzuschränken, so Christen.

Dialekt "vermittelt Vertrautheit"

Dass das Schreiben im Dialekt gerade in Sozialen Medien zur Selbstverständlichkeit geworden ist, ist für Helen Christen keine Überraschung: "Der geschriebene Dialekt vermittelt dort die Vertrautheit der gesprochenen Sprache," erklärt Christen, "die Assoziationen von Informalität, Nähe und Zugehörigkeit, die gesprochenem Dialekt anhaften, übertragen sich auch auf den getippten."

Gerade diese Nähe ist es paradoxerweise auch, die den geschriebenen Dialekt in weitere Kreise gebracht hat. Berufliche Hierarchien werden weitgehend flacher, daher wird auch für Chats mit Vorgesetzten der Dialekt zur Möglichkeit. Sprachwissenschafter nennen dieses Verhalten "konzeptionelle Zweisprachigkeit". Das heißt: Je nach Situation benutzen wir andere Sprachen. Für Formelles Hochdeutsch, für Informelles den Dialekt.