Am Valentinstag, dem vielerorts in rot-pink gehaltenen Tag der Liebe mit Geschenken und oft romantischen Essen, findet in Wien am Nachmittag eine weitaus ernstere Veranstaltung statt: Im Naturhistorischen Museum (NMH) am Burgring werden in einer feierlichen Zeremonie ("Tragen dunkler Kleidung erforderlich") menschliche Überreste an eine hawaiianische Delegation übergeben. Vizekanzler Werner Kogler und US-Botschafterin Victoria Kennedy werden dabei anwesend sein.

"Wir erkennen die Qualen unserer Vorfahren an und übernehmen die Verantwortung für ihr Wohlergehen (und damit auch für unser eigenes), indem wir sie zur Umbettung nach Hause überführen", wurde Delegationsleiter Edward Halealoha Ayau in einer Mitteilung zitiert. Schädel und menschliche Knochen werden nicht nur von NHM Wien an Hawaii zurückgegeben, sondern auch aus Sammlungen des Museums für Vor- und Frühgeschichte in Berlin, des Übersee-Museums in Bremen sowie der Universitäten in Göttingen und Jena.

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Allein die historischen anthropologischen Sammlungen in Berlin umfassen rund 7700 menschliche Überreste aus nahezu allen Teilen der Erde. Sie wurden im 19. und 20. Jahrhundert zusammengetragen. Etwa 40 Prozent haben einen kolonialen Erwerbungshintergrund aus den ehemaligen deutschen Überseegebieten in Afrika und dem Pazifikraum.

Österreich richtet Gremium ein

Um einen allgemeinen Umgang mit aus potenziell kolonialen Erwerbskontexten stammenden Objekten in den österreichischen Bundesmuseen zu ermöglichen, setzt Kunst- und Kulturstaatssekretärin Andrea Mayer nun ein mit international anerkannten Expertinnen und Experten besetztes Gremium ein. Unter dem Vorsitz des wissenschaftlichen Direktors des Weltmuseums Wien Jonathan Fine soll dieses interdisziplinäre Gremium Empfehlungen für den Umgang mit Kulturgütern aus kolonialen Erwerbskontexten in den Sammlungsbeständen bzw. mit etwaigen Rückgabeforderungen ausarbeiten.

Die Ergebnisse sollen im Frühjahr 2023 vorgelegt werden. "Das koloniale Erbe in den österreichischen Bundesmuseen wird wissenschaftlich und konzentriert aufgearbeitet." Es geht dabei nicht allein um den Umgang mit kolonialen Museumsbeständen, sondern in weiterer Folge auch um Fragen nach einer postkolonialen Museologie und Erinnerungskultur. "Dass wir in die Tiefe, aber auch in die Breite gehen, ist mir bei diesem Thema wichtig", betont Staatssekretärin Andrea Mayer anlässlich der Übergabe.