Der Heiligenkreuzer Abt Maximilian Heim verteidigt Benedikt XVI. gegen die „sprungbereite Feindseligkeit“, die dem emeritierten Papst nach dem Münchner Missbrauchsgutachten entgegenschlage. Die Debatte um ein mögliches Fehlverhalten von Joseph Ratzinger als Erzbischof von München und Freising habe „mich und viele andere in der Kirche erschüttert und wegen ihrer von vielen empfundenen Einseitigkeit befremdet“, sagte der Zisterzienser dem deutschen Wochenblatt „Die Tagespost“.

Benedikt als Lügner, „nur auf den Schutz der Kirche bedachten Kirchenfürsten“ oder gar als „Verbrecher gegen die Menschlichkeit“ darzustellen, könne er sich aufgrund seiner persönlichen Erfahrung mit dem nun Beschuldigten „überhaupt nicht vorstellen“, erklärte Heim gegenüber der katholischen Zeitung laut Kathpress. Der Abt des Zisterzienserklosters im Wienerwald ist zugleich Großkanzler der „Philosophisch-Theologischen Hochschule Benedikt XVI. Heiligenkreuz“, erster Preisträger des Ratzinger-Preises und Mitglied des Jüngeren Ratzinger-Schülerkreises.

Hinweis auf Verdienste

Diesen persönlichen Eindruck von der Person Ratzingers untermauerte der Abt mit dem Hinweis auf dessen Verdienste im Kampf gegen Missbrauch in der Kirche: Als Präfekt der Glaubenskongregation sei Ratzinger noch zur Zeit von Papst Johannes Paul II. hier „der Vorreiter“ gewesen, der sich für kirchenrechtliche Möglichkeiten ein- und diese dann auch durchgesetzt habe, Priester wegen des sexuellen Missbrauchs als schwerwiegende Straftaten (delicta graviora) aus dem Klerikerstand zu entlassen. Er habe im Auftrag des Papstes den Bischöfen weltweit das Thema des Missbrauchs entzogen, „d. h. er hat sie, manchmal zu deren Ärger, angewiesen, solche Fälle nach Rom in seine Behörde zu melden, um Missbrauch vor Ort effektiver zu bekämpfen und ortskirchliche Vertuschungen zu vermeiden“, wies Heim hin.

Als Papst hatte Ratzinger 2010 die Verjährungsfrist für die kirchenrechtliche Ahndung verlängert und „den längst fälligen Perspektivenwechsel eingeleitet, dass nicht die straffälligen Priester zu schützen sind, sondern die Opfer im Mittelpunkt der Hilfe und Aufklärung stehen müssen“, so Abt Heim weiter. Auch bei seinen Reisen habe der Papst diesen seine besondere Aufmerksamkeit geschenkt. An die von Missbrauchsskandalen ganz besonders erschütterte Ortskirche in Irland habe Benedikt einen „aufwühlenden Brief“ gerichtet – und damit auch an die katholische Kirche weltweit. Heim erinnerte auch daran, dass die „sonst für ihre Kirchennähe nicht gerade bekannte“ Berliner „taz“ anerkannte, dass Benedikt 2011 und 2012 Hunderte von Priestern wegen Missbrauchsvorwürfen abberief und laisierte.

Heim: „Auch Päpste sind Menschen“

Heims Fazit: „Es ist mir unverständlich, wie manche ihm unterstellen, dieses Thema verdrängt oder verleugnet zu haben.“ Manche Verantwortungsträger in der Kirche, die nun „sehr bereit und wohlfeil“ das Verhalten des damaligen Präfekten und späteren Papstes kritisieren, sollten sich laut dem Abt selbstkritisch fragen, ob sie beim Thema Missbrauch Ähnliches leisteten.

„Auch Päpste sind Menschen“, räumte der Ordensmann ein. „Sie sind wie wir alle in der Kirche Sünder.“ Auch die „Unfehlbarkeit“, die dem Papst als der letzten Instanz der Glaubensverkündigung zugeschrieben wurde, meine nicht eine kognitive Irrtumslosigkeit, ein Freisein von Fehlern in der Erinnerung oder eine moralische Sündenlosigkeit, erklärte der versierte Theologe. Fehler in Bezug auf die Erinnerung an einen Termin oder an eine Gegebenheit vor mehreren Jahrzehnten seien somit durchaus denkbar, so Heim zu dem Umstand, dass Benedikt seine Anwesenheit bei einer von den Gutachtern besonders ins Visier genommenen Sitzung im Jahr 1980 zunächst dementiert hatte. Später revidierte er seine Stellungnahme, nachdem die Gutachter ein Protokoll vorlegten, das das Gegenteil bewies.

Es tue ihm von Herzen leid, so Abt Heim abschließend, dass sich der fast 95-jährige, gesundheitlich angeschlagene, aber immer noch geistig frische emeritierte Papst Benedikt XVI. in dieser Phase seines Lebens gerade in seinem Heimatland „für den Missbrauch entschuldigen muss, für dessen Aufklärung er sich Zeit seines Lebens intensiv eingesetzt hat“.