"Es tut uns leid, dass wir schon wieder über dieses Thema sprechen müssen", erklärt Maria Rösslhumer von den Autonomen Österreichischen Frauenhäusern. Die getötete 13-Jährige, die zuvor von mehreren jungen Afghanen in der Vorwoche sediert und vergewaltigt worden sein soll, ist Femizid Nummer 15 in Österreich im laufenden Jahr. 

Gemeinsam mit Rosa Logar von der Wiener Interventionsstelle gegen Gewalt in der Familie und Margarete Bican vom Verein Sprungbrett  prangern Opferschutz-Expertinnen Versäumnisse in der Prävention von Gewalt an. Da zumindest drei der vier unter Tatverdacht stehenden jungen Afghanen polizeibekannt bzw. vorbestraft sind, liege der Verdacht nahe, dass diesbezügliche Warnsignale übersehen oder nicht ernst genug genommen worden sein könnten. "Wir müssen uns auch dieses Mal wieder fragen, ob der Tod nicht verhindert werden hätte können", stellt Rösslhumer fest und ergänzt: "Alarmsignale waren eindeutig vorhanden."

Gewalt-Screenings und Kommission

Rosa Logar fordert daher frühzeitige Gewalt-Screenings, die alle beteiligten Einrichtungen, von der Polizei über die Spitäler bis zur Bewährungshilfe, aktiv durchführen müssten. "Man muss solchen Hinweisen nachgehen, auch wenn ein anderes, etwa ein Drogendelikt, angezeigt wird", forderte sie. Wird jemand wegen einer mit einer höheren Strafe bedrohten Tat, etwa Drogenhandel, verurteilt, kämen Hinweise auf Gewaltbereitschaft "dahinter" gar nicht mehr vor. Gefährdung durch Gewaltbereitschaft müsste fortlaufend evaluiert werden - "wie bei einer Krankheit", ergänzt Logar.

Darüber hinaus klagen die Opferschutz-Expertinnen, dass sie weder die finanziellen noch personellen Ressourcen dafür hätten und weiters auch keine Anlaufstelle dafür existiere. "Es gibt derzeit kein Gremium, es gibt keine 'Gewalt-Lawinenkommission', die sich dann zusammensetzt", kritisiert Logar. Sie fordert solche Kommissionen, die laufend tagen und sich mit Hochrisikofällen auseinandersetzen sollen, für jedes Bundesland. Denn "Morde kündigen sich immer an". 

Ein anderes drängendes Problem in der Sache sei, dass sich viele Opfer oft nicht trauen, über die Gewalt zu sprechen oder das anzuzeigen. Das habe mit struktureller Ungleichheit ebenso zu tun wie mit tiefsitzenden, patriarchalen Denkmustern. Zu oft würden Opfer hören, "die Suppe ist zu dünn", acht von zehn Anzeigen wegen Gewaltdelikten würden eingestellt, erinnerte Logar. Opfer denken dann, sie werden mit ihrem Problem alleine gelassen. Beschuldigte bekämen wiederum den Eindruck, es handle sich "um Bagatelldelikte".

Arbeit mit Asylwerber noch am Anfang

Was die Arbeit mit Asylwerbern und Geflüchteten betrifft, so stehe diese "noch ganz am Anfang". Gerade in diesen Einrichtungen herrscht oft eklatanter Personalmangel. "Hier präventiv zu arbeiten, das wäre extrem wichtig", hieß es.

Eine wichtige Säule der Gewaltprävention sei zudem die Stärkung der Opfer. In der Wiener Interventionsstelle habe man nach wie vor pro Opfer und Jahr nur fünf Betreuungsstunden zur Verfügung, beklagte Logar einmal mehr eine jahrelange Notlage. Margarete Bican vom Verein Sprungbrett zählte auf, was es unter anderem brauche: mehr fest verankerte Präventionsangebote in Schulen, mehr Beratungslehrerinnen und regelmäßige Sozialarbeit sowie kostenlose Eltern- und Erziehungsberatung und bessere Bedingungen für die Arbeit der Frauen- und Mädchen- sowie der Familienberatungsstellen.

Gleichzeitig äußerten sich die Opferschutzexpertinnen "besorgt über die Verquickung der Asyl- und Abschiebe-Debatte mit Gewaltschutz", dessen wichtige Anliegen dabei verloren gingen. "Gewalt gegen Frauen - das ist ein globales Problem", unterstrich Logar. Bei Gewalt an Frauen und Mädchen gehe es vielmehr um Machtungleichheit sowie patriarchale und toxische Denkmuster. Abschiebungen sollten aber durchgeführt werden, sofern die Gesetzeslage das hergibt.