Vor zehn Jah­ren woll­te die Stadt Wien in der See­stadt ei­gent­lich nur einen Stand­ort für eine ka­tho­li­sche Kir­che fin­den. In einem der größ­ten Stadt­ent­wick­lungs­pro­jek­te Eu­ro­pas gibt es aber ge­nü­gend Platz, um grö­ßer zu den­ken. So ent­stand die Idee des „Cam­pus der Re­li­gio­nen“. Auf 10.000 Qua­drat­me­tern soll im 22. Be­zirk ein Ge­bäu­de­kom­plex ent­ste­hen, in dem acht Glau­bens­ge­mein­schaf­ten eine ge­mein­sa­me Hei­mat fin­den.

Daran be­tei­ligt sind die rö­misch-ka­tho­li­sche, die evan­ge­li­sche und die grie­chisch-ori­en­ta­li­sche Kir­che, sowie die is­rae­li­ti­sche, die is­la­mi­sche, die ös­ter­rei­chisch-bud­dhis­ti­sche, die neu­apos­to­li­sche und sik­hi­sche Re­li­gi­ons­ge­mein­schaft. Mit der Ver­tre­tung der Hin­dus wur­den zwar Ge­sprä­che ge­führt, als ein­zi­ge Welt­re­li­gi­on woll­te sie je­doch nicht teil­neh­men.

Auch unter den be­tei­lig­ten Re­li­gio­nen gab es das eine oder an­de­re Vor­ur­teil zu über­win­den, wie Wiens Bür­ger­meis­ter Mi­cha­el Lud­wig zu­gibt – dem­entspre­chend lange dau­ert be­reits die Pla­nungs­pha­se. Zudem hatte das Pro­jekt immer wie­der mit Van­da­lis­mus zu kämp­fen. Vor fünf Jah­ren auf dem Bau­grund an­ge­brach­te Fah­nen der Glau­bens­ge­mein­schaf­ten wur­den mehr­fach zer­stört, jene der is­rae­li­ti­schen Kul­tus­ge­mein­de mit einem Ha­ken­kreuz be­schmiert. Ge­mein­sam wur­den die Fah­nen immer wie­der neu ge­hisst. „Wer eine Re­li­gi­ons­ge­mein­schaft an­greift, greift alle an“, so Lud­wig da­mals.

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Mit der Prä­sen­ta­ti­on des Ent­wurfs eines Wie­ner Ar­chi­tek­ten­bü­ros in die­ser Woche nimmt der Cam­pus nun kon­kret Ge­stalt an. Ge­plant sind die pa­vil­lon­ar­tig an­ge­leg­ten Sa­kral­ge­bäu­de für jede der Ge­mein­schaf­ten um einen zen­tra­len, frei­en Platz, der ein Ort der Be­geg­nung wer­den/sein soll.

Als bau­li­che Klam­mer dient eine Dach­kon­struk­ti­on mit einer Per­go­la, wel­che die be­wusst neu­tral ge­hal­te­nen Bau­ele­men­te mit­ein­an­der ver­bin­det. Dach­ter­ras­sen, Bäume, be­grün­te Fas­sa­den und Was­se­r­ele­men­te sol­len den Cam­pus zu­sätz­lich auf­wer­ten. Im Nor­den des Ge­län­des wird au­ßer­dem die Kirch­lich-Päd­ago­gi­sche Hoch­schu­le in drei Ge­bäu­den ein­zie­hen und 2500 Stu­die­ren­den Platz bie­ten.

Kar­di­nal Chris­toph Schön­born sieht in dem Pro­jekt ein „ganz wich­ti­ges Si­gnal, dass wir in Ös­ter­reich und in Wien einen an­de­ren Weg gehen als in vie­len Tei­len der Welt. Nicht einen Weg des Spal­tens und ge­gen­ein­an­der Aus­spie­lens, son­dern des Mit­ein­an­ders“. Das Ar­chi­tek­tur­kon­zept schaf­fe au­ßer­dem „ein ge­mein­sa­mes Dach, ohne die Ei­gen­stän­dig­keit der Re­li­gi­ons­ge­mein­schaf­ten zu ni­vel­lie­ren“, hält Schön­born dazu fest. Wann der Cam­pus fer­tig­ge­stellt sein wird, ist al­ler­dings noch offen. „Wir be­tre­ten hier Neu­land und ste­hen mit­ten in einem Pro­zess. Es wer­den noch sehr viele, fein­füh­li­ge Ab­stim­mun­gen not­wen­dig sein, um auch alle im Boot zu be­hal­ten“, sagt Ha­rald Gnil­sen, Bau­di­rek­tor der Erz­diö­ze­se Wien und Vor­stand des Ver­eins „Cam­pus der Re­li­gio­nen“. Auf eine ur­sprüng­lich von Lud­wig an­ge­kün­dig­te Er­öff­nung 2022 will er sich aus die­sem Grund nicht fest­le­gen.

„In einem nächs­ten Schritt wer­den wir den Ar­chi­tek­ten­ent­wurf ver­fei­nern, um zu kla­ren Kos­ten­struk­tu­ren zu kom­men“, er­klärt Gnil­sen. Fi­nan­ziert wer­den sol­len die je­wei­li­gen Ge­bäu­de von den Glau­bens­ge­mein­schaf­ten groß­teils selbst. Noch müss­ten aber die ge­nau­en Kos­ten auf­ge­teilt wer­den. „Erst dann wird sich der wei­te­re Fahr­plan her­aus­kris­tal­li­sie­ren“, hält er fest. Er hoffe auch auf Un­ter­stüt­zung von Bund, Stadt, di­ver­sen In­sti­tu­tio­nen und Pri­vat­spen­dern.