Frauenmorde haben sich in Österreich seit 2014 verdoppelt. Warum diese eklatante Steigerung?


Maria Rösslhumer: Wir sehen, dass Gewalttäter hierzulande zu wenig zur Rechenschaft gezogen werden. Die meisten Täter sind den Behörden ja bereits bekannt, weil sie vorher schon durch Gewalt aufgefallen sind. Das wird oft zu wenig ernst genommen. Auch wenn Frauen eine Anzeige bei der Polizei machen, werden diese oft wegen widersprüchlicher Aussagen zwischen Opfer und Täter eingestellt, anstatt sich die Situation näher anzusehen, Zeugen zu befragen oder Beweise zu ermitteln. Wir fordern mehr Beweismittelerhebungen und dass die Gefährlichkeit besser eingeschätzt wird, bevor eine Anzeige eingestellt wird.


Sollten die Gesetze verschärft werden?


Es hilft uns kein verschärfter Strafrahmen, wenn dieser selten ausgeschöpft wird. Zudem gibt es wenige Verurteilungen. Verfahren werden häufig wieder eingestellt. Wichtig wäre die Umsetzung der Gesetze. Der Opferschutz muss zudem verbessert werden. Man hat oft das Gefühl, die Täter werden geschützt, nicht aber die Opfer.

Maria Rösslhumer vom Verein AÖF
Maria Rösslhumer vom Verein AÖF © GERMADNIK

Hat Österreich ein Problem mit Gewalt an Frauen?


Ja, Österreich hat definitiv ein Problem mit Gewalt an Frauen. Beziehungsweise mit Gewalttätern. Ihre Handlungen werden oft nicht ernst genug genommen. Bis die Lage eskaliert. Jede fünfte Frau ist Opfer von Gewalt. Das heißt aber auch, jeder fünfte Mann war mindestens einmal im Leben gewalttätig. Es ist noch sehr stark in den Köpfen von Männern drinnen, zu glauben, sie hätten mehr Rechte als Frauen. Auch ein Besitzdenken ist in unserer Gesellschaft noch stark vorhanden – vor allem in der Ehe. Das patriarchalische Denkmuster ist bei vielen Männern ausgeprägt. Hinzu kommt: Viele haben nie gelernt, über ihre Gefühle oder Bedürfnisse zu sprechen. Das ist ein Fehler in der Sozialisation. Da muss man schon in den Kindergärten ansetzen.


Was muss sich ändern?


Wir müssen die Zivilgesellschaft viel mehr einbinden in dieses Thema. Wir müssen lernen hinzuschauen, nicht wegzusehen, wenn Gewalt passiert. Wir müssen viel mehr sozialen Druck aufbauen, damit man sich für Gewaltausbrüche geniert und damit diese auch zur Rechenschaft gezogen werden.